News | Newsletter | Neues zum Vergaberecht 01/2025
Offenlegung der Preiskalkulation des Höchstbietenden
Die Einleitung einer Preisprüfung nach § 60 Abs. 1 VgV ist möglich, wenn sich einzelne Angebote erheblich von anderen Angeboten oder der Kostenschätzung des Auftraggebers absetzen. Dieser kann im Rahmen der Prüfung, ob ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, auch das teuerste Angebot einbeziehen.
VK Bund, Beschluss vom 03.07.2024, VK 2-47/24
Der Auftraggeber (AG) schrieb die Vergabe eines Abschlusses einer Rahmenvereinbarung von Fahrbahnreinigungsarbeiten aus. Einziges Wertungskriterium war der Preis. Die Ausschreibung umfasste mehrere Gebietslose.
Für das Los eins und drei bewarben sich neben der Antragstellerin (ASt) die Beigeladene 1 (Bg 1), für das Los 2 neben der ASt die Beigeladene 2 (Bg 2). Die ASt war langjährige Vorauftragnehmerin der nun ausgeschriebenen Leistungen. Die Angebotspreise der ASt zu dem jeweiligen Los wichen von der dokumentierten Auftragswertschätzung des AG erheblich nach oben, die Angebote der beiden Bg erheblich nach unten ab. Daraufhin forderte der AG sowohl die ASt als auch die Bg 1 und Bg 2 auf, Unterlagen zur Aufklärung ungewöhnlich niedriger Preise nach § 60 VgV zu übersenden.
Die ASt rügte, durch die Nachfrage des AG in ihrer Kalkulationsfreiheit verletzt zu sein.
Anhand der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen stellte der AG fest, dass er die Kosten für die Arbeiten zu hoch eingeschätzt hatte. Er korrigierte daraufhin die Kostenschätzung. Die Angebote der Bg wichen zwar immer noch von der korrigierten Kostenschätzung ab, wobei die Abweichung nun aber weniger als 20 % betrug.
Der AG teilte mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag für die betreffenden Lose auf die Angebote der Bg zu erteilen. Das Angebot der ASt zu den beiden Lose sei nicht zu berücksichtigen, da dies nicht die wirtschaftlichste sei. Die ASt rügte unter anderem, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft getroffen wurde. Nach Zurückweisung der Rügen durch den AG beantragte die ASt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Der Nachprüfungsantrag hat keinen Erfolg! Der AG ist zulässigerweise in eine Preisaufklärung nach § 60 Abs. 1 VgV eingetreten. Bei dem Begriff des ,,ungewöhnlich niedrigen Preises“ im Sinne von § 60 Abs. 1 VgV handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der ausschreibenden Stelle einen Beurteilungsspielraum einräumt. Im Nachprüfungsverfahren ist die betreffende Entscheidung des AG daher nur auf etwaige Beurteilungsfehler hin zu prüfen.
Eine Preisprüfung nach § 60 Abs. 1 VgV kommt dann in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Unauskömmlichkeit bestehen. Eine Pflicht zur Prüfung besteht beim Überschreiten einer sog. Aufgreifschwelle, die im Regelfall erreicht ist, wenn ein Angebot um mindestens 20 % vom nächstgünstigeren Angebot abweicht. Das war vorliegend der Fall.
Der AG durfte im Rahmen der Preisaufklärung das Angebot der ASt einbeziehen, obwohl dieses nicht „ungewöhnlich niedrig“ im Sinne von § 60 Abs. 1 VgV war. Um das Verhältnis zwischen dem angebotenen Preis und der zu erbringenden Leistung sachgemäß einschätzen zu können, ist die Berücksichtigung und damit eine grundsätzliche Betrachtung aller für die Angebotskalkulation relevanten Merkmale geboten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wegen der Preisspreizung und der Abweichung der Kostenschätzung hierfür Anlass gegeben ist. Daher durfte der AG auch die Kalkulation der teuersten Angebote in den Blick nehmen, um besser einschätzen zu können, welcher Preis marktüblich ist.
Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der AG ohne Beurteilungsfehler davon ausgegangen, dass die Angebote der Bg auskömmlich sind.
Fazit
Auch ein Bieter, der den höchsten Preis angeboten hat und dessen Angebot nicht für den Zuschlag vorgesehen ist, muss im Rahmen der Preisaufklärung damit rechnen, dass er seine Preiskalkulation offen zu legen hat.
Die Entscheidung betont außerdem noch die Wichtigkeit, die Vergabeakte vollständig zu führen und die Preisprüfung gemäß § 60 Abs. 1 VgV umfassend zu dokumentieren.
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