Unter den Eindrücken der Covid-19-Pandemie kaufte das Bundesamt Ende 2022 per Direktvergabe für seine deutschen Auslandsschulen eine interaktive und adaptive Mathematik-Lernsoftware (Lernplattform). Sie soll die SchülerInnen der deutschen Auslandsschulen beim kontinuierlichen
Aufbau von Wissen und mathematischen Kompetenzen unterstützen.
Bei der Beschaffung der Lernplattform war es dem Auftraggeber vor allem wichtig, dass diese über die Inhalte verfügt, die für Lehrpläne der jeweiligen
Klassenstufen erforderlich sind. Zudem sollte das Lernmaterial für den Einsatz in ausländischen Schulen weitestgehend lehrwerksunabhängig sein. Insbesondere aber war dem Auftraggeber wichtig, dass die SchülerInnen bei der Nutzung der Lernplattform ein umfassendes und direktes Feedback sowie eine individuelle Lernförderung erhalten. Darüber hinaus sollten LehrerInnen aber auch eigene Aufgaben erstellen können, die sodann von den SchülerInnen über die Plattform gelöst werden können. Des Weiteren sollte die Software über »Interaktionswerkzeuge« verfügen, um beispielsweise auch Geometrie-Aufgaben lösen (lassen) zu können. Außerdem wollte der Auftraggeber nach den Erfahrungen der Covid-19-Pandemie sicherstellen, dass den SchülerInnen mithilfe der Plattform
selbstständig und ggf. auch ortsunabhängig umfangreiches Wissen vermittelt werden kann.
Die entsprechenden Anforderungen erfüllen grundsätzlich nur sogenannte »Intelligente Tutorensysteme« (ITS). ITS haben dabei Studien zur Folge
eine weitaus positivere Wirkung auf Lernergebnisse als einfache Lernplattformen, die ihrerseits lediglich Lernvideos und Übungsaufgaben anbieten, eine automatisierte Auswertung von Aufgaben vornehmen
(ggf. nur unter Benennung von Richtig oder Falsch) und den Leistungsstand des Nutzers an den gelösten Aufgaben bewerten. Aus einer vom Bundesamt
vollumfänglich durchgeführten Marktanalyse, welche mathematischen ITS gegenwärtig erhältlich sind, ergab sich, dass die vom Bundesamt an die Mathematik-Lernplattform gestellten Leistungsanforderungen nur von der Software eines Unternehmens, nämlich der Fa. Bettermarks, bedient werden können.
Zwar muss das Bundesamt als öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich zur Befriedigung seiner Beschaffungsbedarfe förmliche Vergabeverfahren durchführen. Allerdings zwingt das Vergaberecht weder den Auftraggeber noch Unternehmen in Konstellationen, in denen nur ein bestimmtes Unternehmen die Leistung erbringen kann, in einen schlussendlich nutz-
und fruchtlosen »Wettbewerb«. Vielmehr ermöglicht es § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV für solche Fälle ausdrücklich, den Auftrag direkt an das Unternehmen zu vergeben, das nach den Erkenntnissen der vorangegangenen Markterkundung als Einziges zur Leistungserbringung in der Lage ist.
Von dieser Möglichkeit hatte auch das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten Gebrauch gemacht und infolge der Marktanalyse die Lernplattform der Fa. Bettermarks angeschafft. Die Beauftragung
machte das Bundesamt sodann – wie vergaberechtlich vorgesehen – im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union bekannt.
Kurz darauf sah sich das Bundesamt jedoch mit einem Nachprüfungsantrag eines – vermeintlichen – Wettbewerbers der Fa. Bettermarks konfrontiert. Die Antragstellerin war insoweit der Auffassung, dass sie ebenfalls eine Lernplattform im Portfolio hätte, die die Anforderungen des Auftraggebers erfülle.
Das Bundesamt bat Leinemann Partner Rechtsanwälte um Unterstützung und mandatierte das Berliner Büro mit der rechtlichen Vertretung vor der Vergabekammer des Bundes in diesem Nachprüfungsverfahren. Im Rahmen des Vergabenachprüfungsverfahrens legte das Leinemann-Team mit Marco Michael Hohensee und Marisa-Therese Golz gemeinsam mit dem Auftraggeber umfassend dar, dass die Direktvergabe des Auftrags gerechtfertigt war und das Produkt der Antragstellerin nicht über die notwendigen Funktionen verfügte, die der Auftraggeber als essenziell ansah.
Dank des Zusammenspiels aus sehr gutem technischem Know-how aufseiten des Auftraggebers und der fundierten Erfahrung von Leinemann Partner bei der Vertretung von öffentlichen Auftraggebern in Nachprüfungsverfahren gelang es zügig, die Antragstellerin davon zu überzeugen, dass es besser wäre, den Nachprüfungsantrag zurückzunehmen. Das Nachprüfungsverfahren hatte sich damit nach kurzer
Zeit ohne eine mündliche Verhandlung erledigt. Der ursprünglich geschlossene Vertrag hatte somit weiterhin Bestand, und die SchülerInnen der deutschen Auslandsschulen können ab sofort mithilfe neuester
Lernsoftware mathematisches Wissen aufbauen und vertiefen.