Es kommen unterschiedliche Gründe in Betracht, warum Bauprojekte der öffentlichen Hand nicht immer die Erwartungen erfüllen, die aufgrund der Ausschreibung hinsichtlich des Preises und der Bauzeit geweckt und öffentlich kommuniziert wurden. Teils sind diese Gründe vermeidbar, teils nicht.
Was aber mit Fug und Recht behauptet werden kann, ist, dass sich Einsparungen bei der Erstellung der Ausschreibungsplanung rächen. Auch sobald der avisierte Bauvertragsentwurf etwa eine Klausel enthält, nach der ein Großteil der Planung für das Bauvorhaben erst „nach Auftragserteilung entsprechend Erfordernis und Baufortschritt“ an den Auftragnehmer zu übergeben ist, sollte der öffentlichen Auftraggeber noch einmal innehalten und erwägen, seine Planung doch noch vor der Ausschreibung möglichst weitgehend fertig zu stellen. Eine erschöpfende und präzise Planung vor Vertragsschluss gibt allen Beteiligten Sicherheit. Dies gilt sowohl in zeitlicher als auch preislicher Hinsicht. Insbesondere in Zeiten ausgelasteter Planungsbüros ist eine solche Ad-hoc-Planung während der Ausführung äußerst riskant, weil oft auf unvorhergesehene Ereignisse nicht flexibel und schnell genug reagiert werden kann. Die Folge ist, dass dringend auf der Baustelle benötigte Pläne fehlen, solche nicht rechtzeitig geprüft/freigegeben werden oder ausgehändigte Pläne nicht die erforderliche Qualität aufweisen. Ein Streit über die hieraus resultierenden Verzögerungen und die damit einhergehenden Mehrkosten ist vorprogrammiert.
Diese schmerzliche Erfahrung musste auch die Hansestadt Lübeck beim Ersatzneubau der Possehlbrücke in Lübeck machen. Nach dem mit der Wayss & Freytag Ingenieurbau AG geschlossenen Bauvertrag sollte der gesamte Ersatzneubau von Mai 2015 bis Januar 2017 dauern und ca. Euro 9.000.000 brutto kosten. Nach einer Vielzahl von Bauablaufstörungen (insb. aus dem Bereich der noch zu erstellenden Planung), die hinsichtlich Verantwortlichkeit und Dauer fast vollständig streitig waren, zeichnete sich Anfang 2018 ab, dass der erste von zwei etwa gleich umfangreichen Bauabschnitten erst im Sommer 2018 abgeschlossen sein würde. Der Aufschrei der ansässigen Bevölkerung und Wirtschaft über die Einschränkung einer der Hauptverkehrsadern der Stadt war entsprechend groß.
Dennoch entschlossen sich beide Parteien, eine gemeinsame Lösung sowohl für die erbrachten als auch für die ausstehenden Leistungen zu finden. Eine langjährige, zeit- und kostenaufwändige gerichtliche Auseinandersetzung sollte vermieden werden. Insbesondere wollten die Parteien ihre unterschiedlichen Auffassungen parallel zur weiteren Ausführung der Leistungen klären.
Vor diesem Hintergrund wurde ein Schiedsgerichtsverfahren mit dem vorgeschalteten Versuch einer Mediation (Baujurist als Mediator/Sachverständiger für Baubetrieb als Berater) mit konkreten Streitgegenständen vereinbart. Der Mediationstermin wurde durch umfassende Schriftsätze vorbereitet, in denen die Parteien ihre Sicht auf den Sachverhalt und ihre jeweiligen Ansprüche darlegten. Als Ergebnis der Mediation wurde eine umfassende Einigung für die Zukunft und Vergangenheit erzielt. Vereinbart wurde eine von der Wayss & Freytag Ingenieurbau AG – unter Übernahme konkret bestimmter Risiken – geschuldete Verkehrsfreigabe am 15.11.2019 gegen einen Pauschalpreis von insgesamt Euro 15.000.000 brutto (Zahlungsplan unabhängig vom Baufortschritt). Weiter wurde ein zusätzlicher Bonus bei Erreichen des genannten Termins von weiteren EUR 500.000 brutto und ein Malus von EUR 1.000.000 brutto bei Überschreitung dieses Termins vereinbart.
Die Fachanwälte Dr. Thomas Hildebrandt und Rasmus Gersch (Hamburg) von Leinemann Partner Rechtsanwälte haben die Wayss & Freytag Ingenieurbau AG bei diesem Bauvorhaben frühzeitig baubegleitend beraten, wozu auch die Erarbeitung des für eine Anspruchsdurchsetzung erforderlichen
Schriftverkehrs und der hierfür notwendigen Dokumentation gehörte. Zudem haben sie das umgesetzte Streitlösungskonzept ausgearbeitet und die Wayss & Freytag Ingenieurbau AG in der Mediation erfolgreich unterstützt und vertreten. Die intensive Zusammenarbeit zwischen der Tochtergesellschaft der Royal BAM Group, die primär im deutschen Ingenieurbaumarkt und internationalen Markt für Tunnelbau von der Konzeption über Planung bis zur Ausführung aktiv ist, mit Leinemann Partner Rechtsanwälte hat sich somit einmal mehr bewährt.