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Einmal Apple, immer Apple? – Neues zum Gebot der Produktneutralität

Im Zuge ihrer Digitalisierung steht die Öffentliche Hand bisweilen vor der Wahl, vor der schon viele standen: Apple oder Android? Da sie aber – anders als eine Privatperson – das Vergaberecht zu beachten hat, gehen mit der Entscheidung für eine der beiden Alternativen weitreichende Folgen einher, die mit dem Gebot der produktneutralen Ausschreibung in einen Dauerkonflikt geraten können. Eine aktuelle Entscheidung des OLG Brandenburg (Beschl. v. 08.07.2021 - 19 Verg 2/21) illustriert diese Konfliktlage sehr anschaulich. Hintergrund dieser Entscheidung ist der DigitalPakt Schule, ein Förderprogramm zur Digitalisierung der Schulen mit einem Volumen von 7 Mrd. Euro. Ein Schulträger (AG) wollte Tablets beschaffen und hatte sich im Rahmen eines Pilotprojekts in der Vergangenheit schon für Geräte von Apple entschieden. Um solche sollte der Bestand nun erweitert werden. Dagegen wandte sich ein Vertreiber Android-basierter Geräte. Das OLG ergriff bereits im Eilverfahren die Gelegenheit, um sich noch einmal genauer mit dem Gebot der Produktneutralität zu befassen.

Sachverhalt

Der AG schrieb die Lieferung von ca. 1200 mobilen Endgeräten und Zubehör der Marke Apple europaweit im Offenen Verfahren aus. Im Rahmen eines Pilotprojekts hatte er für den Schulbetrieb bereits zuvor 200 Endgeräte von Apple erworben. Die Festlegung auf Apple wurde von einem Vertreiber Android-basierter Geräte erfolglos gerügt. Er vertrat in Rüge und Nachprüfungsverfahren die Ansicht, der Auftraggeber verstoße mit seiner Festlegung auf Apple ungerechtfertigt gegen das Gebot der Produktneutralität. Im Wesentlichen argumentierte er, Android-basierte Geräte könnten ohne weiteres in die vorhandene IT-Infrastruktur integriert werden. Die Mischbetrieb von Apple- und Android-Geräten wäre ohne nennenswerten Aufwand möglich. Der AG trat dem entgegen. Richtig sei zwar, dass die im Schulbetrieb genutzte Softwareplattform Android unterstütze, allerdings nur mit wesentlichen funktionalen Einschränkungen. Die mit einer Integration von Android entstehenden Strukturanpassungen seien unverhältnismäßig, ebenso wie der Aufbau einer zweiten, parallelen Systeminfrastruktur. Dasselbe gelte für Schulungsaufwand und Supporterfordernisse. Daher komme ein Mischbetrieb nicht in Betracht.

Die Entscheidung

Die Produktspezifizierung auf Apple hatte im Eilverfahren Bestand!

Ausgehend vom Leistungsbestimmungsrecht der Auftraggeber führt das OLG zunächst aus, eine Festlegung auf ein bestimmtes Produkt bedürfe wegen der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung einer auftragsbezogenen Rechtfertigung. Es gelte das Willkürverbot. Die Festlegung müsse objektiv und nachvollziehbar sein.

Diesen Grundsätzen habe der AG genügt. Er sei nicht verpflichtet, eine bestehende und erprobte Systemstruktur anzupassen, zumal die Softwareplattform Android nicht in gleichem Umfang unterstütze wie Apple. Im Schulbetrieb müssten sich zahlreiche Nutzer mit unterschiedlich weitreichenden IT-Kenntnissen sicher bewegen können. Um dem Bildungsauftrag zu genügen, müssten die Hürden insoweit niedrig sein. Es sei ein vergaberechtlich legitimes Anliegen, finanziellen und organisatorischen Mehraufwand zur Etablierung des Mischbetriebs vermeiden zu wollen. Das OLG folgte auch dem Argument, dass sich Fehlerquellen bei einem Mischbetrieb erhöhen. Die Systemsicherheit zu erhöhen und das Risiko von Fehlfunktionen bzw. Kompatibilitätsproblemen zu verringern, sei sachlich gerechtfertigt.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG ist nachvollziehbar, jedoch nicht zu verallgemeinern. Die Regel ist die produktneutrale Beschaffung, Produktspezifität hingegen die Ausnahme. Wie alle Ausnahmen benötigt auch diese einer umfassenden, klaren und nachvollziehbaren Begründung. Diese hat der AG hier geliefert.

Allerdings ist Vorsicht geboten. Gerade im IT-Bereich neigen AG allzu schnell dazu, sich auf ein Produkt festzulegen. Gerade im IT-Bereich sind die vermeintlichen Sachgründe von Systemsicherheit, -stabilität und -kompatibilität schnell (und apodiktisch) bemüht. Allerdings ist es für eine Abweichung vom Grundsatz der Produktneutralität eben erforderlich, die besondere Ausnahmesituation herauszuarbeiten. In diesem Fall war es die Schule als besonders schützenswerter Raum. Ebenso schützenswert dürften neben sicherheitsrelevanten IT-Strukturen auch andere kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser sein. Ansonsten wird im IT-Bereich die Ausnahme zur Regel. Der Einfallstore gibt es in Zeiten umfangreicher Förderprogramme zur Digitalisierung viele. Und, das ist eben die Besonderheit im IT-Bereich: Wer einmal drin ist, den kriegt man schwer wieder raus. Oder: Einmal Apple, immer Apple.

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