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Kommunales Wohnungsbauunternehmen als öffentlicher Auftraggeber!

Eine privatrechtlich organisierte Wohnungsbaugesellschaft in öffentlicher Hand, der als Aufgabe der Daseinsvorsorge die Versorgung mit Wohnraum übertragen werden, ist regelmäßig öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts. Ein solches Unternehmen hat auch im Unterschwellenreich wettbewerbliche Vergabeverfahren durchzuführen.

OLG Rostock, Urteil vom 13.03.2024, 2 U 10/23

Bundesweit bestehen heute rund 740 kommunale Wohnungsunternehmen. Diese Unternehmen investieren - zum Teil unter Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln - in den Neubau von Wohnraum und betreuen die Bestände öffentlich geförderter Wohnungen. Die kommunalen Wohnungsunternehmen gewährleisten damit einen erheblichen Anteil der Wohnraumversorgung als Daseinsvorsorge.

Ein übergangenes Unternehmen wandte sich als Klägerin in einem zivilrechtlichen Eilverfahren gegen eine Auftragsvergabe für ein Glasfaser-Gebäudenetz im Bestand einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, der Beklagten. Wertmäßig lagen die Leistungen unterhalb der Schwelle für europaweite Ausschreibungsverfahren. Das übergangene Unternehmen beantragte, dem Wohnungsbauunternehmen zu untersagen, die Leistungen ohne eine wettbewerblich orientierte Ausschreibung zu beauftragen.

Mit Erfolg! Die Übernahme der sozialen Wohnraumversorgung stellt eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe dar und führt nach der überwiegenden neueren Rechtsprechung der Vergabesenate (z.B. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.08.2023, 15 Verg 5/23) zu der Einordnung der - meistens privatrechtlich - organisierten Wohnungsbauunternehmen als öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 2 GWB. Der von der Beklagten verfolgte Zweck besteht in der sicheren und sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung. Nach den Tatbestandsvoraussetzungen des § 99 Nr. 2 GWB ist zudem erforderlich, dass die Übernahme von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben in „nichtgewerblicher Art“ erfolgt. Dies war hier der Fall. Ob es sich bei einer von einem kommunalen Wohnungsunternehmen übernommenen Aufgabe auch um eine solche nichtgewerblicher Art handelt, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Rechtsprechung stellt dabei auf eine Gesamtschau ab (vgl. EuGH, Urteil vom 01.02.2001, C-237/99). Zwar besteht bei dem Unternehmen in dem konkreten Fall eine Gewinnerzielungsabsicht. Die Verbindung ihrer im Allgemeininteresse liegenden nichtgewerblichen Aufgabe mit einer auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit ermöglicht es kommunalen Wohnungsunternehmen regelmäßig, die ihnen als besondere Pflicht obliegende Aufgabe der sozial verträglichen Wohnraumversorgung effizient und kostensparend zu erfüllen. Eine fehlende Gewinnerzielung würde ihren Fortbestand aber nicht ernstlich in Zweifel ziehen. Auf dieser Grundlage war  in dem zugrundeliegenden Verfahren gerade nicht sicher festzustellen, dass die verfügungsbeklagte Wohnungsgesellschaft bei der Vergabe allein von wirtschaftlichen Gesichtspunkten geleitet war.

Da der Schwellenwert für die Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens nicht erreicht wurde, wurde die Wohnungsgesellschaft auf Grundlage des Landesvergabegesetzes verpflichtet, die Auftragsvergabe zunächst zu unterlassen und eine Ausschreibung durchzuführen. Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers in § 1 Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern sei entsprechend auszulegen wie in § 99 GWB. Der Landesgesetzgeber wollte den sachlichen Anwendungsbereich mit den Vorgaben des GWB grundsätzlich in Gleichlauf bringen.

Fazit

Die ganz überwiegende Anzahl der kommunalen Wohnungsbauunternehmen werden jedenfalls im GWB-Vergaberecht als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts zu qualifizieren sein. Zu berücksichtigen ist, ob die Gesellschaft (auch) zu einer sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung beiträgt. Ist dies der Fall, sind zu beschaffende Leistungen auszuschreiben.

Autor

Dr.  Christian Frhr. von Ulmenstein

Dr. Christian Frhr. von Ulmenstein

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