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Zuschlagskriterien - Nachträgliche Konkretisierung zulässig, sogar als Testaufgabe

Die Pflicht zur Bekanntgabe der Zuschlagskriterien sowie auch der Unterkriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen alleine stellt keine nennenswerte Neuerung im Vergaberecht dar. Im Rahmen einer Entscheidung der Vergabekammer des Bundes vom 07.12.2022 (Vgl. VK Bund, Beschluss vom 07.12.2022, Az. VK 2-96/22) wurde jedoch nunmehr festgehalten, dass ein öffentlicher Auftraggeber aber nicht daran gehindert sei, nachträglich - auch erst nach dem Ablauf der Angebotsfrist - eine weitere Präzisierung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien vorzunehmen. Auch eine von den Bietern zu lösende Testaufgabe sei hiervon umfasst.

Sachverhalt

Gegenstand des europaweiten Vergabeverfahrens war eine Rahmenvereinbarung über die Beratung zu Informationssicherheitsmanagementsystemen und IT-Sicherheitskonzepten. Nach den Vergabebedingungen sollte das wirtschaftlichste Angebot aufgrund der im zunächst nur fünfseitigen Katalog geforderten Kriterien ermittelt werden. Zentraler Bestandteil der qualitativen Angebotswertung war die Beantwortung einer in neun Stunden zu bearbeitenden Testaufgabe. Nach Angebotsabgabe wurde den beiden verbliebenen Bietern die Aufgabenstellung um 9:00 Uhr über die E-Vergabeplattform mit der Maßgabe übermittelt, die Lösungen bis spätestens 18:00 Uhr desselben Tages auf gleichem Wege einzureichen. Diese Aufforderung enthielt allerdings einen ergänzten Kriterienkatalog, der anstatt fünf nun neun Seiten umfasste, wobei die ersten vier Seiten unverändert blieben und ab Seite fünf sechs Arbeitspakete in tabellarischer Form mit einer Beschreibung der Aufgabenstellung, der Gewichtung und Ausführungen zum Erwartungshorizont eingefügt waren. Nachdem die Antragstellerin gemäß § 134 GWB darüber informiert wurde, dass der Zuschlag, u.a. aufgrund der besseren Bewertung der Testaufgabe, an die Beigeladene erfolgen sollte, stellte sie einen Nachprüfungsantrag. Diesen begründete sie vor allem mit einer vergaberechtswidrigen Wertungsentscheidung sowie der fehlenden Bekanntmachung von Unterkriterien und deren Gewichtung.

Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag wurde von der Vergabekammer als unbegründet zurückgewiesen. Nach § 127 Abs. 4, S. 1 GWB müssen Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Hierfür sei dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungs- und Handlungsspielraum eröffnet. § 127 Abs. 5 GWB schreibe zwar vor, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen, was grundsätzlich sowohl für die Zuschlags(haupt)kriterien als auch für die Unterkriterien gelte (Vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2017, Az. X ZB 3/17), dies hindere den Auftraggeber aber nicht daran, nachträglich - auch erst nach dem Ablauf der Angebotsfrist - eine Präzisierung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien vorzunehmen. Dies habe bereits der EuGH ausdrücklich für Gewichtungskoeffizienten der Unterkriterien klargestellt. Voraussetzung hierfür sei, dass die nachträglichen Präzisierungen

"im Wesentlichen den Kriterien entsprechen, die den Bietern vorher zur Kenntnis gebracht wurden" (Vgl. EuGH, Urteil vom 14.07.2016, Az. Rs. C-6/15).

Nach diesen Grundsätzen sei im gegenständlichen Fall festzuhalten, dass der den Bietern übermittelte auf neun Seiten erweiterte Kriterienkatalog in Form der Testaufgabe mit sechs Arbeitspaketen keine zusätzlichen Unterkriterien oder Gewichtungen, die eine wesentliche Veränderung der bereits bekannten Zuschlagskriterien bewirken könnten, enthalte. Die zusätzlichen Informationen (Aufgabenstellung, Einzelfragen der Arbeitspakete, Gewichtungsfaktoren und Erläuterungen zum Erwartungshorizont) seien lediglich übermittelt worden, um Ausgangspunkt, Anforderungen und Erwartungen in der befristeten Prüfungssituation klarzustellen und den Bietern eine Hilfestellung zur Ermöglichung eines transparenten Wettbewerbs zu geben. Es liege in der Natur von Test- und Prüfungsaufgaben, dass der Inhalt den Bearbeitern nicht vorab bekannt gegeben werde. Einziges Ziel sei es gewesen, eine für alle Bieter vergleichbare Prüfungssituation zu schaffen.

Fazit

Im Rahmen der Schulnotenrechtsprechung (Bewertung anhand von Punkten oder Schulnoten) zeigte die Entwicklung in den vergangenen Jahren bereits, dass die Maßstäbe an die Transparenz der Bewertungsmethode und der Zuschlagskriterien dahingehend zu korrigieren sind, dass die konkrete Punktevergabe nicht schon im Vorhinein vollständig erkennbar sein und den Bietern die Bewertungsmethode nicht vorab bekannt gemacht werden muss. Nun wird von der Vergabekammer des Bundes - nach der Ansicht des Verfassers erfreulicherweise - ebenso eine nachträgliche Konkretisierung der Zuschlagskriterien und sogar die Schaffung einer auftragsspezifischen Wettbewerbssituation in Form einer von den Bietern zu lösenden Testaufgabe als zulässig angesehen. Dies zeigt einmal mehr, dass Auftraggebern bei der Bewertung zwingend ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, der von den Nachprüfungsinstanzen nur darauf überprüft werden darf, ob das vorgeschriebene Verfahren sowie die Kriterien eingehalten und keine sachwidrigen Erwägungen für die Entscheidung herangezogen worden sind. Es empfiehlt sich dabei allerdings stets eine ausführliche Dokumentation der Bewertung im Vergabevermerk.

Autor

Mark von Dahlen

Mark von Dahlen

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