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Die Mindestanforderung einer dreijährigen Geschäftstätigkeit ist ein zulässiges Eignungskriterium

Der Vergabesenat des OLG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 10.12.2020, 54 Verg 4/20) hat sich mit der Zulässigkeit der Mindestanforderung einer dreijährigen Geschäftstätigkeit befasst und diese vorliegend bejaht. Zulässig sei eine derartige Vorgabe jedenfalls bei komplexen Bauvorhaben mit hohen Anforderungen an Ausführung und Koordinierung der Gewerke.

Sachverhalt:

Der Antragsgegner schrieb im offenen Verfahren einen Bauauftrag zur Installation von Gasanlagen zur Druckluft- und Laborgasversorgung für den Neubau eines Laborgebäudes aus. Als Voraussetzung für die Auftragserteilung forderte der Antragsgegner eine mindestens drei Jahre bestehende Geschäftstätigkeit der Bieter und der von ihnen eingesetzten anderen Unternehmen. Da die Antragsgegnerin erst Mitte 2019 gegründet worden war, gab sie in ihrer Eigenerklärung zur Eignung keine Umsätze für die Jahre 2017 und 2018 an. Es fehlten weiter Angaben zu vergleichbaren Leistungen. Daraufhin wurde das Angebot mit Absageschreiben gemäß § 134 GWB von der Wertung ausgeschlossen. Die Antragstellerin hielt den Ausschluss für vergaberechtswidrig. Die Mindestanforderung einer dreijährigen Geschäftstätigkeit stelle kein zulässiges Eignungskriterium dar. § 6a EU Nr. 2 VOB/A enthalte insoweit eine abschließende Aufzählung, die nicht ohne weiteres durch den Auftraggeber erweitert werden könne. Die Mindestanforderung beschränke den Wettbewerb in unzulässiger Weise, indem sie allein darauf abziele, Newcomer vom Verfahren auszuschließen. Darüber hinaus widerspreche die Anforderung den Grundsätzen der Eignungsleihe gemäß § 6d EU VOB/A. 

Entscheidung:

Der Ausschluss war nach Auffassung des Senats gemäß § 16b EU Abs. 1 VOB/A zulässig, da die Antragstellerin nicht die erforderliche Eignung nachgewiesen hat. Der Antragsgegner habe ein vergaberechtlich zulässiges Eignungskriterium festgelegt und bewege sich mit der Mindestanforderung von drei Jahren Geschäftstätigkeit innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes. Das Eignungskriterium stehe in Verbindung mit den Besonderheiten des Leistungsgegenstandes. Insoweit habe der Antragsgegner dargelegt, dass die Versorgung des Forschungsgebäudes mit Laborgasen mit hohen technischen Anforderungen, wie bestimmten Sicherheitsstufen (S 2 und S 3), verbunden sei und die Koordination zahlreicher Schnittstellen erfordere. Zudem sei vom Auftragnehmer in erheblichem Umfang Material vorzufinanzieren. Der Ausschluss von Newcomern vom Wettbewerb sei im vorliegenden Einzelfall auch nicht unzumutbar. Hier sei eine Abwägung zu treffen zwischen dem Interesse an einem wirtschaftlich möglichst günstigen Angebot und der Gefahr einer nicht ordnungsgemäßen Leistungserbring. Die Beschränkung des Wettbewerbs sei durch die vorliegend besonders hohen Anforderungen an die Leistungserbringung gerechtfertigt und stehe mit dem Auftragsgegenstand in einem angemessenen Verhältnis. Auch der Ausschluss der Eignungsleihe für den Mindestzeitraum von drei Jahren war nach Auffassung des OLG vorliegend hinzunehmen. Da eine Eignungsleihe nicht Gegenstand des Angebotes der Antragstellerin war, habe diese insoweit ohnehin keine Rechtsverletzung im Sinne des § 168 Abs. 1 GWB geltend machen können.

Praxishinweis:

Eignungsanforderungen, die zum Ausschluss sogenannter „Newcomer“ führen, müssen im Sachzusammenhang mit dem Leistungsgegenstand stehen und verhältnismäßig sein. Dabei ist abzuwägen zwischen dem Wettbewerbsgebot und der Pflicht, nur fachkundige, leistungsfähige Unternehmen zu beauftragen. Dieser Schritt sollte stets sorgfältig dokumentiert werden.

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