News | Newsletter | Neues zum Vergaberecht 01/2019
Zulässigkeit der Abgabe mehrerer Hauptangebote
Einem Auftraggeber ist es nach Ansicht der VK Sachsen (Beschluss vom 24.01.2018, 1/SVK/034-17) untersagt, das Angebot eines Bieters von einem Hauptangebot in ein Nebenangebot oder in umgekehrter Weise umzudeuten. Die Abgabe von zwei Hauptangeboten ist zulässig, wenn diese sich in technischer Hinsicht und nicht nur im Preis unterscheiden.
Der Auftraggeber, ein gerontopsychiatrisches Zentrum, schrieb die Lieferung von Möbeln europaweit aus. Im Leistungsverzeichnis wurde u.a. darauf hingewiesen, dass die abgefragten Angaben unbedingt lückenlos auszufüllen seien. Sofern einem Bieter die angegebenen qualitativen und quantitativen Merkmale zur Funktionsfähigkeit seiner Produkte als nicht ausreichend erscheinen und/oder er zusätzliche Leistungen für eine ordnungsgemäße Funktion für erforderlich hält, habe er dies bei Angebotsabgabe anzugeben und ausdrücklich auszuweisen. Nebenangebote wurden nicht zugelassen. Der spätere Antragsteller gab fristgerecht zwei eigenständige Angebote ab, die sich in technischer Hinsicht unterschieden. Nach den Erläuterungen des Antragstellers erfüllten beide technische Varianten die vom Auftraggeber vorgegebenen Bedingungen der Ausschreibung und seien uneingeschränkt für den Krankenhausbetrieb geeignet. Der Auftraggeber schloss die Angebote unter Hinweis auf § 16 Abs. 3 VOL/A mit der Begründung aus, dass es sich um unzulässige Nebenangebote handle. Die vom Antragsteller angebotenen Artikel würden zu sehr von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweichen und seien nicht geeignet. Nach mehreren erfolglosen Rügen leitete der Antragsteller ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer ein.
Der Nachprüfungsantrag hat Erfolg. Die Vergabekammer stellte mehrere Fehler des Vergabeverfahrens fest und hob die Ausschreibung auf. Sie führte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschluss vom 29.11.2016, I ZR 122/14) aus, dass die Abgabe von zwei Hauptangeboten grundsätzlich zulässig sei, wenn sich diese in technischer Hinsicht und nicht nur im Preis unterscheiden. Ein Hauptangebot liege dann vor, wenn ein Bieter ein erkennbar gleichwertiges Produkt anbieten will, wenn er also im Angebot die Gleichwertigkeit des angebotenen mit dem ausgeschriebenen Leitfabrikat behauptet. Von einem Nebenangebot könne nur dann ausgegangen werden, wenn Gegenstand des Angebots ein von der geforderten Leistung abweichender Bietervorschlag ist. Finde sich an keiner Stelle des Angebots ein Hinweis des Bieters, dass er ein Nebenangebot abgeben wolle, ist die Umdeutung eines Haupt- in ein Nebenangebot unzulässig. Die Vergabekammer ordnete die Aufhebung der Ausschreibung an, da der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung keine Eignungsnachweise benannt und das Leistungsverzeichnis unklar und nicht eindeutig war.
Es ist mittlerweile höchstrichterlich geklärt, dass ein Bieter mehrere Hauptangebote abgeben kann, wenn sich diese in technischer Hinsicht und nicht nur im Preis unterscheiden. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob beide Hauptangebote tatsächlich die Vorgaben der vom Auftraggeber erstellten Leistungsbeschreibung erfüllen und nicht gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden müssen. Diese Frage kann jedoch nur dann beantwortet werden, wenn der Auftraggeber durch eine klare und eindeutige Leistungsbeschreibung eine ausreichend transparente Entscheidungsgrundlage erstellt hat. Hieran fehlte es im vorliegenden Fall.
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