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Qualifiziertes Personal muss erst zu Arbeitsbeginn vorhanden sein

VK Bund, Beschlüsse vom 27.08.2018, Az. VK2 - 72/18 und VK2-74/18

Die VK Bund stellt klar, dass ein Bieter den Nachweis ausreichenden Personals auch durch Verpflichtungserklärungen potentieller künftiger Mitarbeiter erbringen kann. Denn wenn ein öffentlicher Auftraggeber ausreichend qualifiziertes Personal zur „Bedingung für die Auftragsausführung“ macht, muss dieses Personal nicht bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe, sondern erst zu Beginn der Arbeiten vorhanden sein.

Der Sachverhalt

Die Auftraggeberin schrieb EU-weit „Unter-Wasser“-Instandsetzungarbeiten von Stahlträgerpfählen einer Mole in offenem Verfahren aus. Die Leistungen umfassten mit einem Anteil von rund 50 % auch Unterwasserschweißarbeiten, die hochspezialisierte Schweißtaucher erfordern. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Die Auftraggeberin gab für die Ausführung zwingend einzuhaltende Fertigstellungstermine vor. Darüber hinaus bestimmte sie in der Leistungsbeschreibung:

"Die Schweißarbeiten dürfen nur von Personen durchgeführt werden, die über eine gültige, personengebundene Qualifikation für Unterwasserschweißarbeiten […] verfügen. Die entsprechenden Qualifikationen aller bei der Baumaßnahme eingesetzten Taucher, die Schweißarbeiten unter Wasser ausführen, sind der Vergabestelle auf Verlangen in gültiger Fassung vorzulegen. […] Die mit den Instandsetzungsarbeiten beauftragte Firma hat […] vor Beginn der Arbeiten die Personalien ihrer mit der Ausführung betrauten Arbeitnehmer zu benennen und die Nachweise zur Qualifikation der eingesetzten Taucher dem Auftraggeberin zur Verfügung zu stellen. […]"

In der Auftragsbekanntmachung definierte die Auftraggeberin außerdem folgende „Bedingung für die Ausführung des Auftrags“:

„Befähigungsnachweise des eingesetzten Personals: gem. Vergabeunterlagen.“

Nachdem die Auftraggeberin Referenzen und Befähigungsnachweise abgefordert und den unterlegenen Bietern die Absicht mitgeteilt hatte, den Zuschlag zu erteilen, untersagte die Kammer bereits in einem anderen Nachprüfungsverfahren (VK 2 44/18) die Erteilung des Zuschlags und forderte sie zur erneuten Eignungsprüfung auf. Die Auftraggeberin habe u.a. die erforderlichen Personalkapazitäten nicht hinreichend an den zwingend einzuhaltenden Einzelfristen geprüft. Außerdem habe sie auch die noch im Aufklärungsgespräch vom Bieter nachträglich benannten freiberuflichen Taucher bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt, ohne dass diese Teil des insoweit ausdrücklich auf die Ausführung mit Eigenpersonal angelegten Angebots gewesen waren.

In einer erneuten Eignungsprüfung dokumentierte die Auftraggeberin sodann zu dem bestplatzierten Bieter, dass die Arbeiten eines Arbeitsschrittes mit dem im Aufklärungsgespräch angegebenen Personaleinsatz zwar ein paar Wochen länger bräuchten, die eines anderen Arbeitsschrittes hingegen ein paar Wochen weniger, sodass für den Gesamtterminplan im Ergebnis eine ordnungsgemäße und termingerechte Umsetzung zu erwarten sei. In einem zweiten Aufklärungsgespräch ergänzte der bestplatzierte Bieter sein angestelltes bzw. teilweise auch als freiberuflich benanntes Personal mit weiteren Mitarbeitern, zu denen er „Verpflichtungserklärungen“ vorlegte. Diese enthielten Versicherungen, im Auftragsfall zu einer angestellten Tätigkeit bereit zu sein. Zwei Personen erklärten sich wegen abgelaufener Unterwasser-Schweißer-Prüfbescheinigungen zudem zu kurzfristigen Nachprüfungen bereit.

Die Auftraggeberin stellte daraufhin fest, der Bieter sei mit dem benannten Personal hinreichend befähigt und habe ausreichend Personal zur fristgerechten Ausführung der Leistungen. Soweit Taucher erst im zweiten Aufklärungsgespräch benannt worden seien, käme es nicht darauf an, dass deren Befähigungsnachweise nicht fristgerecht vorgelegt worden wären. Diese seien nicht als Eignungsnachweise iSd. § 6a VOB/A-EU gefordert worden. Etwaige Unklarheiten könnten nicht zu Lasten der Bieter gehen. Ein Ausschluss habe nicht zu erfolgen.

Die Antragsteller wendeten sich nun gegen die Bezuschlagung ihres Konkurrenten damit, dieser sei ungeeignet, denn er verfüge nicht über hinreichende personelle Kapazitäten, insbesondere um die Arbeiten beider „Lose“ fristgerecht ausführen zu können. Innerhalb dieser Fristen könnten die hochspezialisierten Arbeiten jedenfalls nicht unter Beachtung der für diese Arbeiten geltenden speziellen Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft Bau ausgeführt werden. Diese sehen sowohl zeitliche Restriktionen für den Einsatz unter Wasser als auch bestimmte Vorgaben für die Zahl von Tauchern einer Gruppe vor. Wegen der begrenzten täglichen Einsatzzeiten von Tauchergruppen könnte auch durch Feiertage entfallende Arbeitszeit nicht an anderen Tagen kompensiert werden. Schließlich wäre es auch eine unzulässige Nachverhandlung, die vormals als Nachunternehmer vorgesehenen freiberuflichen Taucher nunmehr „umzuetikettieren“.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Die VK Bund hielt die Nachprüfungsanträge für unbegründet. Die Auftraggeberin habe die Eignung beurteilungsfehlerfrei bejaht. Zwar wäre es vergabefehlerhaft, einem Bieter den Zuschlag zu erteilen, dessen personelle Kapazitäten für die nachgefragten Arbeiten nicht ausreichten. Ebenso wäre die Bejahung der Eignung unzulässig, wenn erkennbar wäre, dass die Arbeiten mit dem vorhandenen Personal nur unter Nichteinhaltung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen oder zwingender Bestimmungen zur Unfallverhütung termingerecht ausgeführt werden könnten.

Dies sei hier jedoch nicht der Fall, insbesondere sei die Benennung neu anzustellender Mitarbeiter zulässig. Die Auftraggeberin habe in der Bekanntmachung weder gefordert, dass das Personal bereits mit dem Angebot namentlich zu benennen war noch indirekt bereits vorhandenes Personal vorausgesetzt, indem die Befähigungsnachweise für die einzusetzenden Taucher bereits mit dem Angebot abgefordert worden wären. Vielmehr habe die Auftraggeberin die namentliche Benennung sowie die Angaben zur beruflichen Qualifikation nur als „Bedingung für die Auftragserteilung“ gemacht. Auch wenn es sich beim Vorhandensein qualifizierten Personals um eine Eignungsfrage handele, habe die Auftraggeberin mit der Zuordnung zur Rubrik „Bedingung für die Ausführung des Auftrags“ deutlich gemacht, zu welchem Zeitpunkt das Personal vorhanden sein musste. Dieser Zeitpunkt sei eben nicht schon die Angebotsabgabe gewesen, sondern erst der Beginn der Arbeiten. Die Nachweise und das verantwortliche Fachpersonal seien hier aber zumindest eignungsrelevant iSd. § 122 Abs. 1, 2 GWB, sodass es nicht sachfremd gewesen sei, dass die Auftraggeberin diese Angaben im Rahmen der inhaltlichen (materiellen) Eignungsprüfung angefordert und zur Prüfung herangezogen habe. Im Übrigen müsse die Auftraggeberin bei ihrer Prognose darüber, ob ein Bieter über ausreichendes Fachpersonal verfügen werde, nicht vom worst-case-Szenario ausgehen, in dem alle Taucher ausfallen (vgl. hierzu auch den von der Kammer in Bezug genommenen Beschl. v. 03.08.2019 – VK 2-64/17 unter Ziff. II.2.a) bb) (5) bzw. S. 23 f).

Praxishinweise

Bemerkenswerterweise bezeichnet es die VK Bund ausdrücklich als wettbewerbsoffen und verhältnismäßig, einem Bieter nicht abzuverlangen, bereits zu einem Zeitpunkt über die Ressourcen für die Auftragsausführung verfügen zu müssen, zu dem er nicht weiß, ob er den Auftrag überhaupt erhält. Es könne sogar als ein unzulässiges Wagnis zu Lasten der Bieter iSd. § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU angesehen werden, wenn der Bieter gezwungen wäre, Personal bereits fest einzustellen, dass er bei Nichterhalt des Zuschlags möglicherweise nicht anderweitig einsetzen könnte. In diesem Sinne steht die Entscheidung im Einklang mit obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.12.2002 – Verg 45/01; OLG München, Beschl. v. 17.01.2013 – Verg 30/12; KG Berlin, Beschl. v. 18.07.2002 – 2 Kart Verg 4/02 oder auch EuGH, Urt. v. 27.10.2005 – C-234/03, Rn. 43).

In Bezug auf das lediglich über die Verpflichtungserklärungen zur Verfügung stehende Personal ist der Verweis der Kammer auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf von Interesse. Danach erübrigt sich für die Eignung üblicherweise eine Prognose dazu, ob ein Bieter das geforderte Personal rechtzeitig bereitstellen kann, wenn ausreichend potentielle Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind. Steht hingegen nur eine begrenzte Anzahl an geeigneten Arbeitskräften zur Verfügung, muss sogar nachweislich eine ausreichende Anzahl potentieller Mitarbeiter dazu bereit sein, die betreffenden Arbeiten für den Bieter auszuführen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.02.2013 - VII-Verg 52/12, Ziff. II.1.).

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Der Auftraggeber ist nicht grundsätzlich verpflichtet, bereits mit Auftragsbekanntmachung den Vertragsentwurf bereit zu stellen.

     

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