News | Newsletter | Neues zum Immobilienrecht 04/2018
Zum Umfang der Veräußerungsverpflichtung nach § 172 IV 3 Nr. 6 BauG
BVerwG, Urteil vom 30.06.2004, Az. 4 C 1/03
Gem. § 172 Abs. 1 S. 4 BauGB sind die Landesregierungen ermächtigt, für Grundstücke in Gebieten einer Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB durch Rechtsverordnung die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, von einer Genehmigung abhängig zu machen. Wie bereits in den vorangegangenen Artikeln beschrieben, können damit erhebliche Einschränkungen des Eigentumsrechtes verbunden sein.
Gem. § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 6 BauGB ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern. Diese Verpflichtungserklärung muss der verfügungsberechtigte Eigentümer schriftlich gegenüber der Baugenehmigungsbehörde abgeben (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3848). Eine Frist nach § 577a Abs. 2 S. 1 BGB verkürzt sich dann um fünf Jahre (früher: sieben Jahre, vgl. hierzu BT-Drucks. 18/11439, S. 20). Die Frist nach § 577a Abs. 1 BGB entfällt.
Der Genehmigungsvorbehalt ist wegen seines Schutzzwecks weit auszulegen, sodass bereits die Existenz einer Wohnung im Gebäude genügt (OLG München NJW-RR 2016, 137, 138). § 172 Abs. 4 BauGB regelt, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigung zu versagen oder zu erteilen ist.
Diese Verfügungsbeschränkung weckt den Wunsch nach Umgehung, etwa dadurch, Wohnungen zum Zeitpunkt der Teilung oder Umwandlung leer stehen zu lassen oder pro forma an den künftigen Erwerber „zu vermieten“. Dem hat das BVerwG bereits in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2004 (BVerwG, Urteil vom 30.06.2004, Az. 4 C 1.03) einen Riegel vorgeschoben und festgestellt, dass sich die in § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB vorgesehene Verpflichtung, die Wohnungen innerhalb von sieben Jahren nur an die Mieter zu veräußern, auf das gesamte Haus bezieht und somit auch auf diejenigen Wohnungen erstreckt, die zum Zeitpunkt der Erteilung der Teilungsgenehmigung leer stehen. In dem Fall ist der nächste Mieter also vorrangig erwerbsberechtigt.
Dieser Umstand kann auch nicht etwa dadurch umgangen werden, dass die Wohnung an die Personen überlassen wird, die sie zwar zum Zeitpunkt der Umwandlung tatsächlich bewohnen, diese Nutzung aber von vornherein nur mit der Absicht aufgenommen haben, die Wohnung käuflich zu erwerben. Denn diese Personen seien nicht „Mieter“ im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB fielen deshalb auch nicht unter den Schutzzweck der Norm.
Fazit:
Vorrangig erwerbsberechtigt ist somit nur derjenige, der zum Zeitpunkt der Teilung tatsächlich (und natürlich rechtlich) Mieter ist. Zieht dieser Mieter später aus, erlöscht das Veräußerungsverbot an der Wohnung (Schöner/Stöber, Rn. 3848; vgl. auch Hertel, DNotI-Report 1997, 159, 162; Langhein, ZNotP 1998, 346, 352). Das gilt auch für den Fall, dass der Mieter hinsichtlich der Veräußerung an einen Dritten auf seine Rechte verzichtet.
Erwirbt der Mieter und will er innerhalb der 7 Jahre weiter veräußern, ist er selbst nicht mehr an die Veräußerungsbeschränkung gebunden. Der Mieter (als neuer Eigentümer) tritt insoweit nicht als Rechtsnachfolger in die Verpflichtungserklärung des teilenden Eigentümers ein. Diese wird zur Begründung des Wohnungseigentums nur vom umwandelnden Eigentümer abgegeben. Mit der Veräußerung des Wohnungseigentums an den Mieter erfüllt der Eigentümer seine Verpflichtung, sodass sich die anlässlich der Umwandlung abgegebene Verpflichtungserklärung erledigt ist (DNotI-Report 2017, 185).
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