News | Newsletter | Neues zum Immobilienrecht 04/2018
Ablauf des Erlasses einer Milieuschutzsatzung. Wirkungen des Aufstellungsbeschlusses. Keine Genehmigungspflicht trotz Aufstellungsbeschluss.
Motive und Gründe für den vermehrten Erlass von Milieuschutzsatzungen und deren Auswirkungen sind einleitend von Michael Göger erläutert worden. Vor allem in den Bezirken in Berlin werden aktuell Milieuschutzsatzungen als städtebauliches Instrument in Erwägung gezogen und schließlich erlassen. Der wirksame Erlass einer Milieuschutzsatzung folgt einem festen Ablauf unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Für den Investor ist frühzeitig erkennbar, ob und ab wann ein Gebiet demnächst den Regelungen einer Milieuschutzsatzung unterliegt und inwieweit sich ein Immobileninvestment noch realisieren lässt.
Das Verfahren zum Erlass einer Milieuschutzsatzung durchläuft verschiedene Stadien, in denen in unterschiedlicher Weise die Einschränkungen des Milieuschutzes gelten. Zum einen besteht eine Vorverlagerung von Genehmigungspflichten bevor die Satzung erlassen worden ist. Zum anderen kann eine Teilung des Grundstücks ohne Genehmigung des Bezirkes realisiert werden, obgleich zum Zeitpunkt der Antragstellung der Teilung grundsätzlich eine Genehmigungspflicht bestand.
Der Erlass einer Milieuschutzsatzung erfolgt in folgenden Schritten: In Ortsteilen oder Teilgebieten einer Stadt wird ein reges Modernisierungsgeschehen festgestellt, welches vermeintlich zur Verdrängung der Bevölkerungsstruktur führt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und nach Ansicht des Bezirkes eine geordnete städtebauliche Entwicklung und Sicherung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu sichern, wird das städtebauliche Instrument einer Milieuschutzsatzung in Erwägung gezogen. Dazu wird zunächst eine Grundlagenuntersuchung über den betroffenen Stadtteil in Auftrag gegeben. In dieser Untersuchung werden die Voraussetzungen für den Erlass einer Milieuschutzsatzung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB geprüft. Ergibt die Untersuchung, dass in dem Gebiet ein Veränderungsprozess der Bevölkerungsstruktur stattfindet, der zu städtebaulichen Problemen führen kann, werden die wesentlichen Auslöser aufgezeigt. In der Regel ist dies die Modernisierung von Wohnraum über den zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus im Zusammenhang mit der Umwandlung von Wohnungen in Einzeleigentum. Wird ferner in der Grundlagenuntersuchung festgestellt, dass in dem Gebiet weithin ein Aufwertungsdruck und Verdrängungspotential vorhanden ist, wird dem Bezirk der Erlass einer Milieuschutzsatzung empfohlen.
Auf Basis der Empfehlung der Untersuchung beschließt der Bezirk den Erlass für die Aufstellung einer Milieuschutzsatzung. Dieser Beschluss ist im Amtsblatt bekanntzumachen. Er tritt einen Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Innerhalb von sechs Monaten nach dem In-Kraft-Treten des Aufstellungsbeschlusses, ist durch einen weiteren Beschluss die Milieuschutzsatzung zu erlassen und zu veröffentlichen. Mit der Milieuschutzsatzung gelten dann die Einschränkungen, die der Kollege RA Michael Göger oben beschrieben hat.
Bereits vor dem Erlass der Milieuschutzsatzung können auf der Grundlage des Aufstellungsbeschlusses Vorhaben, die den Milieuschutzzielen entgegenstehen, bis zu zwölf Monaten zurückgestellt werden (§ 172 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauGB). In dem Aufstellungsbeschluss werden daher in der Regel bereits Kriterien für die Genehmigung von Sanierungsmaßnahmen definiert. So bedarf der Antrag des Eigentümers auf Umwandlung seines Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum eine Genehmigung durch den Bezirk(Rechtsanwältin Shushanik Roecker in NZI 1/2016). In Berlin ergibt sich diese aus § 1 der Umwandlungsverordnung (UmwandV). Diese Genehmigungspflicht besteht, obwohl die eigentliche Milieuschutzsatzung noch nicht erlassen worden ist. Wird ein Antrag auf Genehmigung einer Teilung bei dem Bezirk gestellt, wird diese eine Ablehnungs- und Untersagungsverfügung erlassen. Die Untersagungsverfügung ist zeitlich befristet und gilt längstens bis zum Inkrafttreten der Milieuschutzsatzung.
Das Kammergericht (Beschluss vom 26.05.2016 – 1 W 170/16) hat entschieden, dass es für den Investor nach dem Aufstellungsbeschluss noch eine Möglichkeit gibt, die Teilung nach § 8 WEG ohne Genehmigung des Bezirkes zu vollziehen. Nach dieser Entscheidung gibt ein ortsüblicher bekanntgemachter Beschluss über die Aufstellung einer Erhaltungssatzung dem Grundbuchamt keinen Anlass, den teilenden Antragsteller vor Vollzug der Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungs- bzw. Teileigentum die Vorlage einer Genehmigung oder eines Negativattestes der Gemeinde aufzugeben. Der erste Senat des Kammergerichts verkennt nicht, dass mit dem Vollzug des auf Begründung von Wohnungs- und Teileigentum gerichteten Antrags die mit dem Aufstellungsbeschluss verbundenen Erhaltungsziele ggf. unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden können. Gleichwohl besteht kein Anlass, etwa die gemäß §§ 172 Abs. 2, 15 Abs. 1 BauGB zuständigen Behörden von Amts wegen über die Stellung des Antrags der Beteiligten zu unterrichten, um ihnen so den rechtzeitigen Erlass einer Untersagungsverfügung zu ermöglichen. Hierfür fehlt es seitens des Grundbuchamts an einer gesetzlichen Grundlage. Die fehlende Kenntnis des Bezirkes von einem Grundbuchantrag des teilenden Eigentümers ist vielmehr ein allgemeines Problem.
Fazit:
Ist ein Aufstellungsbeschluss erlassen, ist vor dem Erlass der Milieuschutzsatzung ein Antrag auf Teilung beim Grundbuchamt zu stellen. Liegen die Voraussetzungen für eine Teilung vor (Abgeschlossenheitsbescheinigung), dann ist die Teilung zu vollziehen. Das Grundbuchamt darf von Amts wegen weder die Vorlage einer Genehmigung durch den Bezirk verlangen, noch den Bezirk Gemeinde auf den Antrag hinweisen, damit diese die Möglichkeit zum Erlass einer Unterlassungsverfügung gegen den Antragsteller erhält. Damit bleibt faktisch die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum genehmigungsfrei, bis die Milieuschutzsatzung erlassen ist. Anderes gilt nur für Sanierungsarbeiten, diese müssen nach einem Aufstellungsbeschluss durch den Bezirk (Bauaufsicht) genehmigt werden.
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