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BGH: Die verspätete Gegenzeichnung eines Mietvertrages kann auch nach Jahren noch die Wirksamkeit des Vertrages gefährden
BGH, Urteil vom 24.02.2016 – XII ZR 5/15
Unterzeichen Mieter und Vermieter einen Mietvertrag erst mit mehreren Wochen Abstand voneinander, kann dies die Unwirksamkeit des Mietvertrages nach sich ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn beide Parteien wohlmöglich über Jahre hinweg zunächst auf das wirksame Bestehen eines Mietverhältnisses vertraut haben.
Die Beklagte hatte der Klägerin im November 2003 einen Mietvertrag übersandt, mit welchem sie von der Klägerin eine Freifläche für die Dauer von 30 Jahren anmieten wollte. Unterschrieben war dieser Mietvertrag von der Beklagten allerdings noch nicht. Die Klägerin unterzeichnete den Mietvertrag am 09.12.2003 und sandte ihn der Beklagten zurück. Aufgrund der Weihnachtsfeiertage unterschrieb die Beklagte den Vertrag ihrerseits dann aber erst am 27.01.2004. Beide Parteien gingen in der Folgezeit von einem wirksamen Vertragsschluss aus. Als es dann acht Jahre später zum Streit zwischen den Parteien kam, erklärte die Klägerin erstmals, dass sie den Mietvertrag für unwirksam halte. Die Beklagte habe den Vertrag erst nach mehreren Wochen gegengezeichnet und damit das ursprüngliche Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Mietvertrages nicht rechtzeitig angenommen.
Die beiden Vorinstanzen entschieden zunächst zugunsten der Beklagten, bejahten also das Bestehen eines Mietverhältnisses. Die Beklagte habe das Vertragsangebot der Klägerin nämlich auch nach über sechs Wochen noch rechtzeitig annehmen können. Beide Instanzgerichte vertraten die Auffassung, dass die Annahme eines Vertragsangebotes zwar zeitlichen Grenzen unterliege, bei der genauen Bestimmung dieser Grenze müssten aber die Umstände des Einzelfalls, hier die Weihnachtszeit, berücksichtigt werden. Während dieser Zeit werde in vielen Betrieben nicht gearbeitet, jedenfalls nicht in voller Besetzung, so dass die Klägerin keine frühere Entscheidung von der Beklagten über die Annahme des Vertragsangebotes erwarten durfte. Der BGH teilte diese Auffassung der Vorinstanzen allerdings nicht und entschied die Sache letztlich im Sinne der Klägerin. Die Annahme eines Vertragsangebotes müsse stets innerhalb eines Zeitraums erfolgen, in dem der Antragende üblicherweise noch mit dem Eingang einer Annahmeerklärung rechnen kann. Diese Frist betrage selbst bei Gewerberaummietverträgen mit hohen Mieten und langen Laufzeiten, zwei bis maximal drei Wochen. Eine vier Wochen übersteigende Annahmefrist sei rechtlich jedenfalls nicht mehr vertretbar. Innerhalb dieser zeitlichen Obergrenze könne die antragende Partei eines Mietvertrages in jedem Fall erwarten, dass der in Aussicht genommene Vertragspartner die Annahme des Angebotes erklärt. Dabei entspricht es, so der BGH, insbesondere auch nicht den regelmäßig absehbaren Umständen, dass in einem Unternehmen von Weihnachten bis in den Januar hinein praktisch geschäftlicher Stillstand herrsche. Auch während dieser Zeit könne vielmehr grundsätzlich erwartet werden, dass eine Entscheidung über das Vertragsangebot getroffen wird. Wie der BGH in seiner Entscheidung weiter klarstellt, könne das im Ergebnis verspätet zurückgesandte Vertragsexemplar zwar als neues Vertragsangebot der Beklagten verstanden werden. Auch dieses Angebot hätte dann aber, diesmal von der Klägerin, durch Annahme bestätigt werden müssen. Zwar sei die Erklärung der Annahme auch durch schlüssiges Verhalten möglich, dies setze allerdings, so der BGH, das Bewusstsein voraus, dass für das Zustandekommen eines Vertrages überhaupt noch eine weitere Erklärung erforderlich ist. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall, da beide Parteien zunächst von einem wirksamen Vertragsschluss ausgegangen waren.
Die Unwirksamkeit eines Mietvertrages kann weitreichende finanzielle Konsequenzen haben. Verträge sollten daher auch auf den zeitlichen Abstand der Vertragsunterzeichnung hin überprüft werden. Zweifeln an der Wirksamkeit des Vertrags muss dann schnellstmöglich durch geeignete Maßnahmen, z.B. durch einen Nachtrag zum Mietvertrag, begegnet werden.
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