News | Newsletter | Neues zum Immobilienrecht 02/2016
Zweckentfremdung von Zweitwohnungen
Vor zwei Monaten entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einer Grundsatzentscheidung (u. a. Urteil vom 08.06.2016 – VG 6 K 103.16), dass das im Mai 2014 in Kraft getretene Zweckentfremdungsverbotsgesetz verfassungsrechtlich unbedenklich ist. In den nunmehr veröffentlichten Urteilen setzte sich Verwaltungsgericht Berlin mit der Frage auseinander, ob zumindest Zweitwohnungen in den ungenutzten Zeiten kurzfristig vermietet und damit zweckentfremdet werden dürfen.
VG Berlin, Urteile vom 9. August 2016 (6 K 91.16; 6 K 151.16 und 6 K 153.16)
Die drei Entscheidungen beruhen auf jeweils ähnlichen Sachverhalten. Kläger sind jeweils Eigentümer von Wohnungen in den Berliner Stadtteilen Friedrichshain-Kreuzberg (6 K 153.16 sowie 6 K 91.16) und Pankow (6 K 151.16). Ihren jeweiligen Hauptwohnsitz haben sie nachweislich in Dänemark, Italien und in Rostock. Die streitgegenständlichen Wohnungen nutzten sie nur anlässlich beruflich bedingter oder privater Aufenthalte. In den Leerstandszeiten vermieteten die Kläger die Einheiten als Ferienwohnungen. Hierfür beantragten sie bei den Bezirksämtern die erforderlichen Ausnahmegenehmigungen, da die Nutzung als Zweitwohnung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 ZwVbG ausdrücklich zulässig sei. Die Bezirksämter waren indes der Ansicht, dass ein Ausnahmetatbestand nicht greifen würde und verwehrten die Erteilung der Genehmigung zur kurzfristigen Vermietung.
Dies sah das Verwaltungsgericht Berlin nunmehr anders. Die Voraussetzungen für eine Genehmigung seien hier jeweils erfüllt, weil schutzwürdige private Interessen, nämlich das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht auf die freie Verfügung über die in dem Eigentum stehende Wohnung, dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums vorgingen und das Ermessen der Behörde auf Null reduziert sei. Auf § 2 Abs. 2 Nr. 6 ZwVbG komme es indes nicht an.
Die streitgegenständlichen Wohnungen sind als zweckentfremdungsrechtlich geschützter Wohnraum im Sinne des § 1 Abs. 3 ZwVbG zu bewerten. Der Wohnraum könnte dem Wohnungsmarkt aber in den Zeiträumen, in denen die Wohnung nicht als Zweitwohnung genutzt wird, ohnehin nicht zur Verfügung gestellt werden. Auf die Wohnraumversorgung der Bevölkerung wirke sich die zwischenzeitliche kurzfristige Vermietung nicht aus. Das ZwVbG ziele gerade nicht auf eine Reglementierung des Eigenbedarfs. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Zweitwohnung bestünden jeweils nicht. Alleine die Gefahr des Missbrauches genüge nicht für die Genehmigungsversagung.
Das Verwaltungsgericht hob im Übrigen hervor, dass ein Schutz der Zweitwohnung nicht greifen würde, wenn die Funktion des Wohnens ganz unwesentlich ist oder nur zum Schein erfolgte. In einem am gleichen Tag entschiedenen Parallelverfahren (VG Berlin, Urteil vom 09.08.2016 - 6 K 112.16) lehnte das Verwaltungsgericht Berlin nämlich die Ausnahmeregelung bereits ab, weil die „Zweitwohnung“ in diesem Fall lediglich als Ausweichmöglichkeit während der Nachtzeit diente, für den Fall, dass die Klägerin aufgrund des Schnarchens ihres Ehepartners nicht schlafen konnte. Allein der Aufenthalt von Personen in den Räumen zu privaten Zwecken einschließlich des Übernachtens stellt aber noch keine Nutzung zu „Wohnzwecken“ dar. Wenigstens ein Raum müsse dem Wohnungsinhaber während des gesamten Tages zur privaten Verfügung stehen und die Möglichkeit bieten, darin den Tätigkeiten und Nutzungsweisen nachzugehen, die zum Begriff des Wohnens gehören. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.
Fazit
Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit den vorgestellten Urteilen nach der grundsätzlichen Feststellung der Verfassungsmäßigkeit des Zweckentfremdungsverbotsgesetztes nun den Startschuss für die Kasuistik zu den Ausnahmeregelung in § 2 ZwVbG gesetzt. Im Rahmen der aktuellen Koalitionsverhandlungen wurde aber bereits eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen auch hinsichtlich Zweiwohnungen thematisiert. Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.
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