News | Newsletter | Neues zum Immobilienrecht 01/2016
Bestätigung des Zweckentfremdungsverbots durch das Verwaltungsgericht Berlin
Das Inkrafttreten der Berliner Zweckentfremdungsverbotsverordnung im Mai 2014 sorgte sowohl unter kommerziellen als auch gelegentlichen Ferienwohnungsanbietern für erhebliche Unruhe. Durch die Regelungen der Verordnung versucht der Senat insbesondere die Kurzzeitvermietung von Wohnräumen im gesamten Stadtgebiet zu unterbinden. Die Ausnahmetatbestände für den Betrieb von Ferienwohnungen sind überschaubar und für Anbieter mit Gewinnerzielungsabsicht unattraktiv, sodass diverse kommerzielle Anbieter Klagen bei dem Verwaltungsgericht Berlin mit dem Verweis auf eine Verfassungswidrigkeit der Verordnung einreichten. Eine Verfassungswidrigkeit lehnte das Verwaltungsgericht Berlin in seinen Entscheidungen vom 08.06.2016 allerdings ab.
Die Wohnungsnot in Berlin ist kein neues Problem. Bereits in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts regulierte der Senat den Wohnungsmarkt mit einem Zweckentfremdungsverbot. Im Jahr 2002 kippte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13.06.2002 - 5 B 19.01) indes die zu der Zeit geltende Zweite Zweckentfremdungsverbot-Verordnung mit der Begründung, dass überhaupt keine Gefährdungslage hinsichtlich der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen (mehr) vorläge. Mit Beschluss vom 13.03.2003 (Az.: 5 B 253.02) bestätigte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung aufzuheben ist, wenn ein Ende der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt insgesamt deutlich in Erscheinung getreten und das Zweckentfremdungsverbot daher offensichtlich entbehrlich geworden ist. Ein Zweckentfremdungsverbotsgesetz diene nicht dazu, Ziele städtebaulicher Art zu verfolgen oder allgemein unerwünschte Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt zu verhindern. Auf diese Argumentation bauten nun auch die Kläger in den vorliegenden Rechtsstreitigkeiten. Mit Unterstützung des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin, Prof. Dr. Helge Sodan, beriefen sich die Kläger ferner darauf, dass die Verordnung gegen die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG und die Eigentumsgarantie sowie den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Die unterschiedlichen Übergangsregelungen in der Verordnung führen zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung im Verhältnis der gewerblichen Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnung einerseits zu der Nutzung von Wohnraum für gewerbliche und berufliche sonstige Zwecke andererseits.
Das Verwaltungsgericht Berlin teilte diese Ansicht nicht. Vielmehr stellte die Kammer klar, dass die Voraussetzungen eines Zweckentfremdungsverbots im gesamten Stadtgebiet erfüllt seien. Das vom Senat angewandte „Indikatoren- und Bewertungsmodell“ für die Berechnung der besonderen Gefährdungslage und die hieraus resultierenden Ergebnisse würden die Schlussfolgerung, dass im Land Berlin eine Wohnraummangellage im Sinne des § 1 Abs. 1 ZwVbG vorläge, tragen. Andere wohnungspolitische Maßnahmen wie beispielsweise die Einführung der sog. Mietpreisbremse oder die verstärkte Neubautätigkeit könnten das Bevölkerungswachstum nicht auffangen. Ob und inwieweit tatsächlich im gesamten Stadtgebiet Berlins ein Wohnraummangel vorläge, musste der Senat nicht gesondert nach Bezirken feststellen. Selbst wenn die Wohnraumsituation in den einzelnen Bezirken unterschiedlich wäre und einzelne Bezirke sogar ausreichend Wohnraum hätten, würde dies nicht zeigen, dass ein annäherndes Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Berliner Wohnungsmarkt gegeben wäre. Auch lehnte die Kammer einen Verstoß gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit mit der Begründung ab, dass eine gewerbliche Vermietung von Ferienwohnungen weiterhin möglich sei - eben nur nicht im geschütztem Wohnraum. Diese Beschränkung sei auch gerechtfertigt, um der unzureichenden Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum entgegenzuwirken. Auch die schutzwürdigen Eigentümerinteressen gemäß Art. 14 Abs. 1 GG blieben gewahrt. Die Eigentumsgarantie schütze nicht die gewinnbringendste Berwertung des Eigentums. Indes sei es dem Eigentümer unbenommen, den Wohnraum weiterhin privatnützig durch längerfristige Vermietung zu verwenden. Einen Verstoß gegen Art. 3 GG sei bereits aufgrund eines fehlenen vergleichbaren Sachverhaltes abzulehnen gewesen, es läge unter anderem - im Gegensatz zu Arztpraxen, Tagesmüttern oder Freiberuflern - keine kontinuierliche Personenidentität vor.
Fazit
Die Kammer hat jeweils die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen. Eine Ferienwohnung in Wohnräumen bisweilen legal zu betreiben, ist fast unmöglich. Ist die Einheit bauordnungsrechtlich und tatsächlich als Wohnraum deklariert, gibt es kaum Chancen, ein Negativattest zu erhalten. Allein auf die Personalknappheit und auf die Zurückhaltung der Behörden bei der Geltendmachung von Bußgeldern zu hoffen, ist nicht zu empfehlen.
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