News | Newsletter | Neues zum Immobilienrecht 01/2016
AGB-widriger Ausschluss der Aufrechnung im Gewerberaummietvertrag
Auch bei einem Gewerberaummietvertrag darf die Aufrechnung mit unbestrittenen, rechtskräftig festgestellten oder entscheidungsreifen Forderungen nicht ausgeschlossen oder auf Forderungen aus dem Mietverhältnis beschränkt werden.
BGH, Urteil vom 06.04.2016 - XII ZR 29/15
Der Vermieter verlangt von den Mietern Zahlung rückständiger Gewerberaummiete, nachdem die Mieter die Miete wegen eines Wassereintritts gemindert und die Aufrechnung mit Gegenansprüchen aus angeblich fehlerhaften Nebenkostenabrechnungen erklärt hatten. Der Vermieter meint, Minderung und Aufrechnung seien wegen einer entsprechenden Klausel in dem formularmäßigen Mietvertrag unzulässig. Nach dieser Klausel kann der Mieter „gegen die Miete weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben oder die Miete mindern.“ Der Folgesatz enthält einige Ausnahmen, zu denen auch „andere Forderungen aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind“, gehören.
Die Klausel ist insgesamt unwirksam! Der BGH betont zunächst, dass bei der Geschäftsraummiete – anders als bei der Wohnraummiete – formularmäßig sowohl die Mietminderung eingeschränkt als auch die Aufrechnung auf unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Forderungen beschränkt werden kann. Im vorliegenden Fall jedoch werden die Mieterrechte auf Minderung, Zurückbehaltung und Aufrechnung darüber hinaus auf „Forderungen aus dem Mietverhältnis“ beschränkt. Diese zusätzliche Beschränkung verstößt nach Ansicht des BGH gegen den Rechtsgedanken des § 309 Nr. 3 BGB (kein Aufrechnungsverbot für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen). Der Rechtsgedanke des § 309 Nr. 3 BGB sei auch bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB zu berücksichtigen, weil es sich hierbei um eine konkretisierende Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots im Sinne des § 307 BGB handelt. Auch im Geschäftsverkehr schränke die vorliegende Klausel die Gegenrechte des Vertragspartners des Verwenders daher unangemessen und somit unwirksam ein.
Erwähnenswert ist auch, dass der BGH eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel explizit ausschließt. Denn die klauselmäßige Gestattung der Aufrechnungsmöglichkeit sei inhaltlich zu eng mit der Beschränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis selbst verknüpft, sodass diese beim Herausstreichen der Beschränkung inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde. Dasselbe gelte, so führt der BGH weiter aus, auch „für die mit gleicher Zielrichtung in einem einheitlichen Satz vereinbarten grundsätzlichen Verbote der Aufrechnung, der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts und der Berufung auf eine Minderung der Miete“.
Fazit
Im Rahmen der Geschäftsraummiete können Minderung, Zurückbehaltung und Aufrechnung weiterhin formularmäßig beschränkt werden. Zahlungsansprüche des Vermieters dürfen gesicherte, bereicherungsrechtliche Ansprüche des Mieters jedoch nicht ausgeschlossen werden (BGH, Urt. v. 23.04.2008 – XII ZR 62/06). Eine Beschränkung auf unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Gegenforderungen ist zulässig (BGH, Urteil vom 14.11.2007 – XIII ZR 337/06), eine darüber hinausgehende Beschränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis dagegen nicht. Sämtliche Beschränkungen sollten unbedingt in separaten Klauseln erfolgen.
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