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Zur Verfassungsmäßigkeit des „Mietendeckels“

Der „Berliner Mietendeckel“ bewegt weiter die Gemüter. Die Preisgrenzen des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung sind am 23. Februar 2020 in Kraft getreten, doch die Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bleiben. Der Beitrag stellt die jeweiligen Positionen vor.

1. Formelle Verfassungsmäßigkeit

In formeller Hinsicht wird in erster Linie diskutiert, ob dem Land Berlin (bzw. den Ländern allgemein) überhaupt die Gesetzgebungskompetenz zukommt, um die Regelungen zu erlassen. Gemäß Art. 70 Abs. 1 GG steht den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zu, soweit das Grundgesetz nicht explizit dem Bund die Zuständigkeit zuschreibt.

Eine solche Zuständigkeit des Bundes wird hier teilweise in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gesehen. Dieser verleiht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz über das bürgerliche Recht. Regelungen zur Höhe von Wohnraummiete gehören nach einer verbreiteten Ansicht zum bürgerlichen Recht (Schede/Schuldt, NVwZ 2019, 1572; Papier, Gutachten zur Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels, im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., 2019, S. 6), weshalb die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG dazu führe, dass die Länder zu dieser Materie keine Regelungen mehr erlassen dürfen. Denn Regelungen zur Miethöhe gebe es bereits im BGB (insbesondere die Vorschriften zur sogenannten „Mietpreisbremse“ aus den §§ 556d ff. BGB) und der Bund habe absichtlich darauf verzichtet, weitergehende Regelungen zu erlassen. Daher habe der Bund von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, weshalb für eine Kompetenz der Länder kein Raum mehr bestehe.

Dem wird entgegengehalten, bei den Regelungen zur Deckelung der Miethöhe handele es sich um öffentliches Mietrecht (Beschlussvorlage im Berliner Abgeordnetenhaus vom 28.11.2019, Drs. 18/2347, S. 4; Mayer/Artz, Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines „Mietendeckels“ für das Land Berlin – Rechtsgutachten für die Fraktion der SPD im Abgeordnetenhaus von Berlin, S. 19 ff.). Demnach sei das bürgerlich-rechtliche Mietrecht von einem „Mietverwaltungsrecht“ flankiert, zu dem die Vorschriften des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung gehörten. Die bereits erlassenen zivilrechtlichen Bestimmungen könnten also keine Sperrwirkung entfalten. Darüber hinaus wird auf Art. 28 der Verfassung von Berlin verwiesen. Demnach hat jeder Mensch ein Recht auf angemessenen Wohnraum. Vorschriften der Landesverfassungen seien bei der Auslegung der Kompetenznormen des Grundgesetzes zu beachten, weshalb der Landesgesetzgeber zuständig sein müsse.

2. Materielle Verfassungsmäßigkeit

Die Frage, ob das Gesetz inhaltlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ist durch den Kompetenzstreit etwas in den Hintergrund geraten. Hier kommen insbesondere Verstöße gegen die Garantie des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG und das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht.

Bei der Deckelung der Wohnraumiete handele es sich laut Papier um einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit, der als Inhaltsbestimmung des Eigentums nur dann grundgesetzkonform sei, wenn er das objektive Verfassungsrecht wahre und darüber hinaus verhältnismäßig sei (Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung, Gutachten im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., 2019, S. 5). Mangels einer Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers verstoße das Gesetz gegen das objektive Verfassungsrecht und sei schon deshalb auch materiell verfassungswidrig. Darüber hinaus verstoße das Gesetz gegen Art. 14 Abs. 1 GG, da es nicht verhältnismäßig sei. Die pauschale Erfassung aller Bestandsmietverhältnisse sei nicht geeignet, die widerstreitenden Interessen der Beteiligten in Ausgleich zu bringen. Aus dem gleichen Grund liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, da das Gesetz alle Vermieter betreffe und deshalb Ungleiches gleich behandle.

Die Gesetzesbegründung stützt die Zulässigkeit des Mietenstopps demgegenüber auf die soziale Funktion des Wohnungsmietpreisrechts nach Art. 14 Abs. 2 GG. Es läge im öffentlichen Interesse, der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken (Beschlussvorlage, a.a.O. S. 24).

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage scheint unausweichlich und rückt nach einer Vorlage des LG Berlin (Beschluss v. 12.3.2020 – 67 S 274/19) auch näher. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrere Eilanträge gegen den „Mietendeckel“ zurückgewiesen – hierbei allerdings keine abschließende inhaltliche Bewertung getroffen.

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