News | Newsletter | Neues zum Immobilienrecht 01/2019
Die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts
Nachdem der Verkäufer und der (Erst-) Käufer einen Kaufvertrag über ein Grundstück geschlossen haben, für das ein Vorkaufsrecht der Gemeinde gem. § 24 Abs. 1 BauGB besteht, müssen sie den Vertragsschluss der Gemeinde gem. § 28 Abs. 1 BauGB unverzüglich mitteilen. Die Mitteilung kann formlos durch den Verkäufer oder den Käufer erfolgen. In der Praxis allerdings weisen Verkäufer und Käufer den beurkundenden Notar an, den Vertrag der Gemeinde anzuzeigen. Die Anzeige muss dabei jedoch alle für die Ausübung des Vorkaufsrechts relevanten Angaben enthalten (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27. 5. 2008 - 1 ME 77/08). Sobald der Vertrag wirksam und die (vollständige) Mitteilung erfolgt ist, beginnt eine zweimonatige Frist zu laufen, innerhalb derer die Gemeinde das Vorkaufsrecht nach ihrem Ermessen ausüben kann.
Da das Vorkaufsrecht gem. § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt wird, hat eine Anhörung der Beteiligten nach § 28 VwVfG zu erfolgen, bevor das Vorkaufsrecht ausgeübt wird. Zudem ist der Ausübungsbescheid ordnungsgemäß zu begründen gem. § 39 VwVfG.
Wurde von dem Vorkaufsrecht wirksam Gebrauch gemacht, kommt sodann ein rechtlich selbstständiger Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Gemeinde zustande (Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, § 28 Rn. 5).
In § 28 BauGB sind drei Konstellationen vorgesehen, wie das Vorkaufsrecht der Gemeinde ausgeübt wird:
1. Die Ausübung des Vorkaufsrechts zu den zwischen Verkäufer und Erstkäufer vereinbarten Konditionen („regulärer Fall“) gem. § 28 Abs. 2 BauGB,
2. die Ausübung des Vorkaufsrechts unter Bestimmung des Kaufpreises nach dem Marktwert gem. § 28 Abs. 3 BauGB und
3. die Ausübung des Vorkaufsrechts unter Bestimmung des Kaufpreises nach dem Entschädigungswert gem. § 28 Abs. 4 BauGB.
In aller Regel übt die Gemeinde das Vorkaufsrecht gem. § 28 Abs. 2 BauGB aus. Hierdurch kommt zwischen der Gemeinde und dem Verkäufer ein Kaufvertrag zu den mit dem Erstkäufer vereinbarten Bestimmungen zustande. Gem. § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB finden auf diesen dann im Wesentlichen die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen über den Vorkauf nach §§ 463 ff. BGB Anwendung. Neben den zivilrechtlichen Beschränkungen gemäß §§ 466 bis 468 BGB werden unter anderem dingliche Erklärungen und prozessuale Erklärungen wie die Zwangsvollstreckungsunterwerfung allerdings nicht übernommen. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts vor, so haben weder nachträglich vereinbarte Vertragsaufhebungen oder -änderungen Einfluss auf den mit der Gemeinde nunmehr bestehenden Vertrag (BGH, Urteil vom 01.10.2010 - V ZR 173/09), noch die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts durch den Erstkäufer (BGH Urt. v. 11.2.1977 – V ZR 40/75).
Die Gemeinde kann bei der Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 28 Abs. 3 BauGB den zu zahlenden Kaufpreis aber auch nach dem Verkehrswert (Marktwert) des Grundstückes im Zeitpunkt des Kaufes bestimmen, wenn der im Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Erstkäufer vereinbarte Betrag den Verkehrswert in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich überschreitet. Mit der Frage, ab wann eine solche „wesentliche Überschreitung“ gegeben ist, wird sich hier im Rahmen einer Urteilsbesprechung auseinandergesetzt.
Diese Bestimmung ergeht zeitgleich mit dem Ausübungsbescheid der Behörde. Gem. § 28 Abs. 3 S. 2 BauGB steht dem Verkäufer in diesem Fall ein zeitlich begrenztes Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag zu. Macht der Verkäufer hiervon Gebrauch, trägt gem. § 28 Abs. 3 S. 4 BauGB die Gemeinde die Kosten des Vertrages auf Grundlage des Verkehrswertes.
Für den Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, für die eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist, sowie für Flächen, die für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen bestimmt sind, gilt § 28 Abs. 4 BauGB, wenn der Erwerb des Grundstücks für die Durchführung des Bebauungsplans erforderlich ist und es nach dem festgesetzten Verwendungszweck enteignet werden könnte. In diesem Fall ist die Gemeinde verpflichtet, im Rahmen der Ausübung des Vorkaufsrechts den Kaufpreis nach dem sogenannten Entschädigungswert zu bestimmen, wenn der vereinbarte Kaufpreis dem sog. Entschädigungswert nicht entspricht. Da die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 28 Abs. 4 BauGB nur in solchen Fällen zulässig ist, in denen dem Verkäufer das Grundstück auch im Wege der Enteignung entzogen werden könnte, wird der Kaufpreis nach der Höhe einer Entschädigung im Falle einer Enteignung berechnet (§§ 93 – 103 BauGB). Aus demselben Grund besteht in dieser Konstellation auch kein Rücktrittsrecht des Verkäufers (Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, § 28 Rn. 15).
In der Praxis kommt der Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 28 Abs. 4 BauGB vor allem bei Flächen in Betracht, die für eine Nutzung durch die Allgemeinheit bestimmt sind, so etwa für Straßen oder Wege. In solchen Fällen liegt der Entschädigungswert pro Quadratmeter regelmäßig unter dem im ursprünglichen Kaufvertrag vorgesehenen Quadratmeterpreis.