News | Newsletter | Neues zum Baurecht 05/2024
Obacht bei Einverständniserklärungen zum Bauvorhaben des Nachbarn
Eine einmal erklärte Zustimmung zum Bauvorhaben des Nachbarn schränkt die subjektiv-öffentlichen Rechte des Erklärenden ein und wirkt auch gegen dessen Rechtsnachfolger.
VGH Bayern, Beschluss vom 04.10.2024 - 9 ZB 23.1102
Diese Bindungswirkung eines erklärten nachbarlichen Einverständnisses hat der VGH Bayern in seinem Urteil nochmals unterstrichen.
Der Kläger wandte sich im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegen eine zugunsten seines Nachbarn erteilte Baugenehmigung. Seine Klage gegen die Baugenehmigung stützte er dabei im Kern darauf, dass die Abstandsflächen nicht eingehalten werden. Die Unterschreitung der Abstandsflächen war zwar unstreitig; dem Bauvorhaben des Nachbarn war jedoch durch den Rechtsvorgänger des Klägers vor 44 Jahren explizit zugestimmt worden. Dies schloss die Unterschreitung der Abstandsflächen ein. Der Kläger machte dennoch eine Verletzung seiner drittschützenden Rechte geltend und wandte ein, dass eine solche Erklärung des Rechtsvorgängers ihn nicht binden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof entschied jedoch, dass sich der Kläger als Rechtsnachfolger des Erklärenden an dieser Erklärung festhalten lassen muss. Daran ändert auch die verstrichene Zeit von 44 Jahren nichts. Vielmehr ist der Kläger als Rechtsnachfolger des Erklärenden in dessen nachbarrechtliche Stellung eingetreten, was auch die Zustimmung umfasste.
In materieller Hinsicht bedeutete diese Zustimmung einen Verzicht auf sämtliche subjektiv-öffentlichen Rechte, die dem Nachbarn aufgrund nachbarschützender Vorschriften gegen das Vorhaben zustehen könnten. Seinen Einwand hinsichtlich der Abstandsflächen konnte er daher nicht mehr erfolgreich geltend machen.
Diese Wirkung begründete das Gericht mit Blick auf die gesamte Interessenlage damit, dass eine mit Zustimmung des Nachbarn erteilte bestandskräftige Baugenehmigung und eine von der Baugenehmigung gedeckte tatsächliche Ausführung Tatsachen schafft, die unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes aus Artikel 14 GG, der Rechtssicherheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
Praxistipp
Diese Entscheidung zeigt deutlich die Reichweite einer einmal erklärten nachbarlichen Zustimmung zu einem Bauvorhaben. Aufgrund der Bindungswirkung einer solchen Erklärung und dem damit verbundenen Verzicht auf subjektiv-öffentliche Rechte sollte vor der Abgabe einer entsprechenden Erklärung deren Reichweite genau geprüft werden.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Widerspruch oder eine Klage gegen eine entsprechend einer Zustimmung erteilten Baugenehmigung regelmäßig wenig Aussicht auf Erfolg haben.
Bevor Sie eine solche Zustimmung zum Vorhaben Ihres Nachbarn erteilen oder von diesem eine solche einholen möchten, empfiehlt es sich daher deren Reichweite und Formulierung entsprechend prüfen zu lassen, um eine rechtssichere Vereinbarung ohne böse Überraschungen zu erzielen.
Verschweigt ein Verkäufer beim Verkauf eines Grundstücks eine entsprechende Erklärung, kann dies darüber hinaus auch zu (Schadensersatz-)Ansprüchen gegen den Verkäufer führen.