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Feststellung zur Insolvenztabelle als Abnahme der Werkleistung?

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.02.2019, 29 U 81/18

In der vorbehaltlosen, uneingeschränkten Feststellung einer Werklohnforderung zur Insolvenztabelle kommt auch die Abnahme der Werkleistung zum Ausdruck.

Die Klägerin (AN) plante, fertigte und baute als Nachunternehmerin der zwischenzeitlich insolventen A GmbH (AG) zwei Haustreppenanlagen in Einfamilienhausneubauten ein. Die Beklagte (Bürgin) verbürgte sich jeweils für die Vergütungsforderung des AN gegen den AG zur Erfüllung ihrer Sicherungspflicht nach § 648a BGB a.F. (§ 650f BGB in der seit 01.01.2018 gültigen Fassung). Beide Bürgschaftsurkunden geben in modifizierter Form die Zahlungsvoraussetzungen nach § 648a Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. wieder. Der AN erwirkte gegen den AG in einem vorherigen Verfahren ein Versäumnisurteil über seine Restwerklohnforderung für beide Treppenanlagen. Während der laufenden Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des AG eröffnet.

Der AN nahm die Bürgin daraufhin aus den Bürgschaften in Anspruch. Die Bürgin lehnte eine Zahlung ab. Der Insolvenzverwalter des AG stellte die Restwerklohnforderung des AN uneingeschränkt zur Insolvenztabelle fest. Das OLG verurteilte die Bürgin zur Zahlung Zug um Zug gegen Herausgabe der Bürgschaftsurkunden und Abtretung der Werklohnforderungen. Das Fälligkeitserfordernis des § 648a Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. und der Bürgschaften sei mit der Feststellung zur Insolvenztabelle erfüllt, die gemäß § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil wirke.

Die Restwerklohnforderung sei auch fällig. Mit der Feststellung zur Insolvenztabelle werde - so das OLG - nicht nur die Werklohnforderung anerkannt, sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass die zugrunde liegende Werkleistung als im Wesentlichen vertragsgerecht gebilligt und dementsprechend abgenommen worden sei. Auch dafür sei der Insolvenzverwalter zuständig und die Bürgin sei daran gebunden, weil die Abnahme zur planmäßigen Durchführung des Werkvertrages gehöre.

Fazit:

Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des OLG, dass die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle gegenüber dem Insolvenzverwalter, allen Insolvenzgläubigern und dem Insolvenzschuldner gemäß § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt. Gemäß § 648a Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. darf der Bürge nur dann Zahlungen an den AN leisten, wenn der AG den Vergütungsanspruch anerkennt oder durch vorläufig vollstreckbares Urteil auf Zahlung verurteilt worden ist - sog. formelle Fälligkeitsvoraussetzung. Damit wird der Bürge (und der AG) wirksam vor einer Inanspruchnahme der Sicherheit durch den AN vor der endgültigen Klärung der Höhe des Vergütungsanspruches geschützt.

Das OLG geht ebenfalls zutreffend davon aus, dass jeder selbstschuldnerische Bürge die Einwendungen des Hauptschuldners uneingeschränkt erheben kann, auch wenn die Forderung des Insolvenzgläubigers bereits zur Insolvenztabelle festgestellt wurde und erteilt damit der von dem LG München I (Urt. v. 27.04.2016 – 2 O 13555/15 = BeckRS 2016, 10930) und dem OLG Naumburg (Urt. v. 15.03.2007 – 2 U 5/07 = BeckRS 2008, 8747), vertretenen Mindermeinung eine klare Absage.

Unverständlich ist, wie das OLG nunmehr zu dem Schluss kommt, dass mit der Feststellung zur Tabelle auch die Billigung des Werkes als im Wesentlichen vertragsgemäß einhergehe. Die Rechtskraft der festgestellten Forderung gestaltet nicht das materielle Recht um, sondern entfaltet lediglich verfahrensrechtliche Wirkungen. Die Entscheidung des OLG lässt eine Begründung hierzu vermissen, obwohl dieser dogmatische Bruch zwischen formeller und materieller Fälligkeit eine solche zwingend erforderlich gemacht hätte.

Schließt man sich der herrschenden Meinung an, dass jeder selbstschuldnerische Bürge die Einwendungen des Hauptschuldners uneingeschränkt erheben kann und wird in der Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle richtigerweise keine rechtsgeschäftliche Abnahme der Leistungen des AN gesehen, wäre bei dem Einwand der Bürgin der mangelnden Fälligkeit wegen § 768 Abs. 2 BGB richtigerweise die abnahmereife Herstellung des Werkes zu überprüfen gewesen.

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