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Architekten- und Ingenieurvertrag oder Projektsteuerung, Dienst- oder Werkvertrag? Neue Rechtsunsicherheiten in der Vertragsgestaltung

OLG München, Urteil vom 07.02.2017 – 9 U 2987/16 Bau

Oberlandesgericht München (nachfolgend OLG München) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die begehrten Ansprüche eines Architekturbüros gänzlich von der Einordnung des Vertragstypus als Dienst- oder Werkvertrag abhingen – die Klägerin verlangte von der Beklagten eine Bauhandwerkssicherung nach § 648a BGB.Bei der Klägerin handelt es sich um ein Architekturbüro, das von der Beklagten, einer Projektgesellschaft für die Revitalisierung eines Bürogebäudes, mit der Erbringung von folgenden Ingenieurleistungen beauftragt wurde:

„Unter Ziffer 2. heißt es: Zusätzlich zu diesen Vertragsgrundlagen gelten als Vertragsbestandteile in der nachstehenden Reihenfolge (...) und unter Punkt 2.3 heißt es: Die Regelungen zum Werkvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure HOAI in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung.
(…)
In dem Leistungsbild Anlage 2.1.1 zum Vertrag Anlage K1 heißt es:
Leistungsbild:

  • Mitwirken an den Verhandlungen und an der Herbeiführung der Bauverträge
  • Organisation/Teilnahme/Protokollierung der Baubesprechungen in der Regel alle zwei Wochen
  • regelmäßige Begehung des Objektes zur Feststellung der Übereinstimmung der Ausführung mit der Baugenehmigung, der funktionalen Generalunternehmerleistungsbeschreibung, sowie mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik und den einschlägigen Vorschriften
  • Aufbauen und Führen einer Mängelliste
  • Erstellen eines Begehungsprotokolls und Übergabe an die Bauunternehmen, mit der Aufforderung, die festgestellten Mängel abzuarbeiten
  • Mitwirkung bei der Beantwortung des vertragsrelevanten Schriftverkehrs, Bedenkenanzeigen Behinderungsanzeigen etc.
  • Prüfen/Mitwirken bei der Abwehr von Nachtragsangeboten
  • Prüfung der Rechnungen der Bauunternehmer mit Leistungsstandfeststellung
  • Organisation und Vorbereitung der Abnahme der Leistung unter Mitwirkung des Generalunternehmers, Feststellen der Mängel, Abnahmeempfehlung für den Auftraggeber

der Beseitigung der Mängel nach Abnahme; hier ist handschriftlich vor dem Wort Beseitigung eingefügt: überwachen (in der klägerseits vorgelegten Anlage K2)“

In dem Vertrag vom 24.9.2013 wurde ein Pauschalhonorar von 165.000,00 Euro vereinbart. In der Folge rechnete die Klägerin nach der HOAI wegen Mindestsatzunterschreitung ab und verlangte eine Sicherheit gemäß § 648a BGB in Höhe von 514.198,20 Euro. Sie begründete dies damit, dass sie insbesondere HOAI-Leistungen der Leistungsphasen 7 und 8 erbracht habe. Die Beklagte verteidigte sich im Wesentlichen damit, dass die Klägerin nicht mit Leistungen aus der HOAI beauftragt worden sei. Vielmehr seien die Leistungen der Leistungsphasen 7 und 8 entweder von der Beklagten selbst oder von Drittunternehmen erbracht worden. Daher stehe der Klägerin weder eine Vergütung nach der HOAI noch eine Bauhandwerkssicherung nach § 648a BGB zu. Das Landgericht München I gab der Klage statt. Es ging von einem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag aus und bejahte im Übrigen die Voraussetzungen des § 648a BGB.

Das OLG München meint: Zu Unrecht! Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertragsverhältnis handele es sich um einen Projektsteuerungsvertrag, der als Dienstvertrag einzuordnen sei. Ein Werkvertrag sei dann anzunehmen, wenn ein Erfolg geschuldet sei. Nach dem vereinbarten Leistungsbild fehle es an einem solchen vertraglich geschuldeten Erfolg. Dies begründet das OLG damit, dass das Leistungsbild geprägt von Unterstützungshandlungen für den Bauherrn, insoweit typisch für einen Projektsteuerungsvertrag, sei. Es würden zwar durchaus Leistungen erbracht, die auch den Leistungsphasen 7 und 8 des § 34 HOAI zugeordnet werden können, auffällig sei jedoch bei einem Gesamtüberblick des Leistungsbildtextes, dass die Verantwortung nach dem Leistungsbild nicht beim Auftragnehmer anzusiedeln sei. Die vorzunehmenden Handlungen seien vorwiegend als Unterstützungshandlungen zu qualifizieren. So seien die Mitwirkung an den Verhandlungen und an der Herbeiführung der Bauverträge und die Organisation, Teilnahme und Protokollierung der ersten zwei Spiegelstriche der Vereinbarung K2 eindeutig als den Auftraggeber unterstützend einzustufen. Die weiteren drei Spiegelstriche Begehung des Objektes, Aufbauen und Führen einer Mängelliste und Erstellung eines Begehungsprotokolls entsprächen den typischen Grundleistungen der Projektsteuerung. Aus der Einzelaufstellung über die auszuführenden Leistungen in dem Vertrag ergebe sich, dass hier vorrangig Beratungs- und Koordinationsleistungen erbracht werden sollten. Auch die weiteren drei Ziffern, Mitwirken bei der Beantwortung des Schriftverkehrs, Prüfen und Mitwirken bei der Abwehr von Nachtragsangeboten und Prüfen der Rechnungen der Bauunternehmer seien typische Mitwirkungs- und Koordinationshandlungen, nicht aber Handlungen, die als eigenverantwortliches Handeln des Auftragnehmers eingestuft werden können. Auch die Rechnungsprüfung, Organisation und Vorbereitung der Abnahme und Überwachung der Mangelbeseitigung nach der Abnahme seien nicht ausdrücklich dem alleinigen Verantwortungsbereich des Auftragnehmers zugeordnet. Wenn ein Vertrag eines Überwachers als Werkvertrag eingestuft werden solle, dann müsse der Überwacher die Verantwortung für die Überwachung tragen und sie in seinen überwiegenden Verantwortungsbereich fallen. Dies lasse sich aus dem Leistungsbild jedenfalls nicht eindeutig entnehmen.

In der Folge könne die Klägerin keine Sicherheit nach § 648a BGB verlangen, da Voraussetzung ein wirksam geschlossener Werkvertrag sei. 

Die Klage wurde durch Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in Gänze abgewiesen.

Fazit:

Bei der vom OLG München zu bewertenden Vertragskonstellation handelt es sich um eine typische Aufspaltung der planerischen Verantwortlichkeiten und Projektsteuerungsleistungen auf mehrere Planerbüros. Die Entscheidung des OLG hat daher eine nicht zu unterschätzende praktische Relevanz.

Nicht nur auf den ersten Blick mag die Entscheidung des OLG München überraschen, da seitens des BGH bisher der Architekten- und Ingenieurvertrag stets als Vertragstypus mit im Wesentlichen werkvertraglichen Charakter eingeordnet und damit das Werkvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB auf diese Verträge für anwendbar erklärt hat. Auch der Gesetzgeber erklärt im Rahmen der Reform des Neuen Bauvertragsrecht, das ab dem 01.01.2018 in Kraft tritt, und diese Einordnung durch den BGH ausdrücklich aufgreift, in § 650q Abs. 1 BGB-E die werkvertraglichen- und (neuen) bauvertraglichen Regelungen in weiten Teilen für anwendbar. 

Allerdings hat das OLG München keine Zuordnung eines Architekten- und Ingenieurvertrages in dienst- oder werkvertraglichen Vertragstypen vorgenommen. Vielmehr grenzte es im ersten Schritt lediglich den Architekten- und Ingenieurvertrag zum Projektsteuerungsvertrag ab. Erst im zweiten Schritt wurde der als Projektsteuerungsvertrag einzuordnende Vertrag – anhand der vertraglich vereinbarten Leistungsbilder – als im Wesentlichen dienstvertraglich qualifiziert.

Problematisch ist, dass die Abgrenzung den Einstiegspunkt für die Prüfung des vertraglichen Charakters darstellt. Der Projektsteuerungsvertrag ist nichts anderes als ein Oberbegriff für eine Reihe von Leistungen. Es muss daher nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Wege der Auslegung des Projektsteuerungsvertrages stets der Schwerpunkt der vertraglichen Komponenten ermittelt werden, sprich geprüft werden, ob der Vertrag im Wesentlichen werkvertraglichen oder dienstvertraglichen Charakter aufweist. Bisher wurde der Projektsteuerungsvertrag in Rechtsprechung und Literatur nur ausnahmsweise als Dienstvertrag qualifiziert, da insbesondere Überwachungs- und Kontrollleistungen typisch erfolgsbezogene Leistungen seien. Durch die Differenzierung des OLG München dahingehend, dass eine erfolgsbezogene Leistung dann nicht vorliege, wenn der Auftragnehmer nicht die Verantwortung für die Überwachung trage und die Leistungen „Unterstützungshandlungen“ darstellen würden, wird eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Haftung (es gibt keine typischen Mängelrechte), Verjährung – es sei an dieser Stelle auf die 3-Jährige Verjährungsfrist des Dienstvertragsrechts hingewiesen – und der Vertragsabwicklung – hier insbesondere des Kündigungsrechts – geschaffen.

Eine solche Abgrenzung, wie sie das OLG München vornimmt, wird zudem in der Praxis regelmäßig Schwierigkeiten begegnen, wenn Planerbüros – wie im vorliegenden – mit Teilleistungen der Leistungsphasen 7 und 8 beauftragt werden, aber keine dauerhafte Begleitung des Projekts schulden.

Diesem neuen Unsicherheitsfaktor kann der Praktiker durch eine eindeutige Festlegung von Leistungszielen begegnen. Es wird daher empfohlen bereits einleitend klarzustellen, ob der Auftragnehmer für die Erreichung eines konkreten Zieles oder Erfolges einstehen soll, oder ob – um im Duktus des OLG Münchens zu bleiben – lediglich eine „unterstützende“, nicht erfolgsbezogene Tätigkeit geschuldet sein soll. Dies vermeidet Streitfälle bei der Realisierung des Vorhabens und – für beide Seiten – böse Überraschungen bei der Durchsetzung von Ansprüchen – auf Verjährungsfallen wurde bereits hingewiesen. Sollte bereits Vertragsverhältnisse mit ähnlichen Parametern wie in dem vorliegenden Falle bestehen, so ist eine genaue juristische Prüfung der Verjährungsfristen – insbesondere bei möglichen Ersatzansprüchen – zu empfehlen.

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