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Das Prognoserisiko bei der Beseitigung von Mangelfolgeschäden – gut beraten ist, wer sich (gutachterlich) beraten lässt!

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.05.2022, 5 U 155/22

Das OLG Düsseldorf fasst die Voraussetzungen zusammen, unter denen die Kosten der Beseitigung von Mangelfolgeschäden vom Auftragnehmer einer Bauleistung zu ersetzen sind. Es nimmt dabei dazu Stellung, inwieweit der Auftraggeber auf die Ausführungen des von ihm beauftragten Privatgutachters vertrauen darf und was in dem Fall gilt, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Schaden auf deutlich günstigere Weise als vom Sachverständigen vorgeschlagen hätte behoben werden können.

Sachverhalt

Die Klägerin (Kl.), die Versicherung einer Gesellschaft, in deren Gebäude eine Kindertagesstätte betrieben wird, nimmt die Beklagte (Bekl.), ein Bauunternehmen, auf Schadensersatz in Anspruch. Die Bekl. hatte innerhalb der Kindertagesstätte Sanitärleistungen erbracht; die Geltung der VOB/B war vereinbart worden. Die Leistungen der Bekl. wurden von der Kl. abgenommen. Unstreitig war es infolge von mangelhaft durchgeführten Arbeiten der Bekl. zu einem Wasserschaden in der Kindertagesstätte gekommen.

Die Parteien streiten über die Höhe der Schadensersatzpflicht der Bekl. Die Kl. hatte den Schaden sachverständig begutachten und auf die Empfehlung des von ihr beauftragten Privatgutachters hin den Fußboden Kindertagesstätte komplett sanieren lassen. Die vollständige Sanierung sei notwendig gewesen, da der eingebaute Estrich nach den Feststellungen des Privatgutachters besonders feuchtigkeitsanfällig gewesen sei. Aufgrund seiner Durchfeuchtung sei neben Schimmel eine Einbuße der Tragfähigkeit zu erwarten gewesen.

Die Bekl. vertritt die Auffassung, die geltend gemachten Kosten seien zur Beseitigung des Mangelfolgeschadens nicht erforderlich gewesen. Die von der Kl. gewählte Komplettsanierung sei überzogen und überteuert gewesen. Stattdessen hätte der Sanierungsaufwand erheblich verringert werden können: Erforderlich gewesen sei lediglich, das ausgetretene Wasser abzusaugen, die Dämmschicht zu trocknen, die Wandverkleidung zu erneuern und abschließend eine Feinreinigung durchzuführen. Auf diese Weise hätte die Sanierung bei gleicher Wirksamkeit deutlich kostengünstiger durchgeführt werden können.

Die Kl. habe nicht auf die anderslautende Bewertungen ihres Privatgutachters vertrauen dürfen, der die Komplettsanierung gefordert hatte. Der Privatgutachter habe sein Gutachten auf der Basis einer unzureichenden Tatsachenbasis und somit mangelhaft erstattet. Insbesondere sei er ohne Beprobung von einer Schimmelbelastung des vom Wasserschaden betroffenen Fußbodenbereichs ausgegangen. Dies habe bei der Kl., die ein Fachunternehmen sei, Zweifel in Bezug auf die Kompetenz ihres Sachverständigen wecken müssen.

Das erstinstanzlich befasste LG Duisburg  gab der Klage statt. Hiergegen wendet sich die Bekl. mit der Berufung zum OLG Düsseldorf.

Entscheidung des OLG Düsseldorf

Ohne Erfolg! Die Bekl. haftet aus § 13 Abs. 7 Nr. 3 S. 1, S. 2 lit a) VOB/B im vollen Umfang für die zur Beseitigung des Mangelfolgeschadens aufgewandten (Komplett-) Sanierungskosten. 

Unter § 13 Abs. 7 Nr. 3 S. 1, S. 2 lit a) ersatzfähig seien alle notwendigen Aufwendungen, also alle Kosten, die der Auftraggeber als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr im Zeitpunkt der Beauftragung des Sanierungsunternehmens für angemessen halten durfte, wobei es sich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln müsse. Soweit sich der Geschädigte sachkundig beraten lasse, könne er regelmäßig diejenigen Fremdnachbesserungskosten verlangen, die ihm aufgrund dieser Beratung entstanden sind. Das mit der sachkundig begleiteten Beurteilung einhergehende Risiko einer Fehleinschätzung trage der Auftragnehmer. Dieser habe deshalb die Kosten selbst dann zu erstatten, wenn sich die zur Mängelbeseitigung ergriffenen Maßnahmen im Nachhinein als nicht erforderlich erwiesen . Den Schädiger treffe mithin das Einschätzungs- und Prognoserisiko. Der Erstattungsanspruch des Auftraggebers sei erst dann gemindert, wenn die Grenzen des von ihm für erforderlich haltbaren Aufwandes überschritten seien und er bei der Auswahl des Drittunternehmers die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet habe .

Im zu entscheidenden Fall durfte die Kl. auf die Ausführungen des von ihr beauftragten Sachverständigen vertrauen und mithin eine Komplettsanierung des Fußbodenbereichs in der vom Wasserschaden betroffenen Kindertagesstätte durchführen. Die Bekl. habe keine hinreichend substantiierten Umstände dargelegt, auf-grund derer die Kl. Zweifel in den durch den Sachverständigen empfohlenen Sanierungsweg hätte entwickeln müssen. Insbesondere der Umstand, dass keine Schimmelbeprobung durchgeführt wurde, musste die Kl. nicht zu Zweifeln an ihrem Sachverständigen führen. Sie durfte hier auf die Expertise des von ihr beauftragten Gutachters vertrauen, ob eine solche Beprobung sinnhaft sei oder nicht.

Fazit

Das kommentierte Urteil des OLG Düsseldorf reiht sich ein in die bisherige Rechtsprechung zum Umfang von Ersatzansprüchen für die Beseitigung von Mangelfolgeschäden. Die hier vom OLG Düsseldorf angelegten Maßstäbe gelten auch im Rahmen des § 4 Abs. 7 VOB/B  sowie im Rahmen des Schadensersatzanspruchs gem. §§ 631, 633, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB . Demnach trifft den Auftragnehmer sowohl das hier streitgegenständliche Prognoserisiko als auch das Werkstattrisiko; mithin jenes Risiko, dass ein unvorhersehbar unwirtschaftlich arbeitender Drittunternehmer mit der Schadensbeseitigung beauftragt wird .

Die genannte Rechtsprechung schützt den Auftraggeber. Dies ist nachvollziehbar: Zum einen hat der Auftragnehmer durch sein mangelhaftes Arbeiten die Schadensersatzforderung gegen sich selbst erst begründet. Es ist somit billig, ihm das Risiko dafür aufzubürden, dass die Beseitigung der von ihm selbst verursachten Schäden teurer wird als im Nachhinein notwendig gewesen wäre.

Hinzu kommt, dass der Auftraggeber im Hinblick auf die notwendigen Sanierungsleistungen regelmäßig über keine eigenen Fachkenntnisse verfügt. Somit ist er auf die Ausführungen des von ihm eingeschalteten Sachverständigen angewiesen.

Selbst wenn der Auftraggeber im Einzelfall über eigene Fachkenntnisse verfügt, ist er gut beraten, für die Beseitigung von Mangelfolgeschäden einen Gutachter hinzuzuziehen. Die hier kommentierte Entscheidung zeigt, dass es dem Auftragnehmer nur im absoluten Einzelfall gelingen dürfte, die Ausführungen eines Privatgutachters dergestalt zu diskreditieren, dass ihn nicht mehr das Prognoserisiko trifft. Sachverständig unterlegte Darstellungen des Auftraggebers wiegen daher inner-halb eines möglichen Gerichtsverfahrens über Sanierungskosten besonders schwer.

Autor

Tobias Köhler

Tobias Köhler

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