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Bedenken des Auftragnehmers begründen grundsätzlich kein Leistungsverweigerungsrecht

OLG Frankfurt, Urt. v. 05.08.2022 – 21 U 84/21

Setzt sich der Auftraggeber (AG) über die Bedenken des Auftragnehmers (AN) gegen die vorgesehene Art der Ausführung hinweg und fordert den AN in Kenntnis der Bedenken zur Leistungsfortsetzung auf, steht dem AN grundsätzlich kein Leistungsverweigerungsrecht zu, es sei denn, die Durchführung der Bauarbeiten würde gegen die Gebote von Treu und Glauben verstoßen.

Setzt der Auftragnehmer die Leistungen trotz entsprechender Aufforderung, Fristsetzung und Kündigungsandrohung nicht fort, steht dem AG das Recht zu, den Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen und von dem AN Schadensersatz und Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten zu verlangen.

Rechtliche Ausgangslage

Hat der AN Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich - möglichst schon vor Beginn der Arbeiten - schriftlich mitzuteilen, § 4 Abs. 3 VOB/B. Tut er das nicht und setzt stattdessen seine Leistungen fort, haftet er für einen Mangel an seinem Werk, wenn der Mangel auf seine Bedenken zurückzuführen ist, § 13 Abs. 3 VOB/B.

Reagiert der AG auf die Bedenkenanzeige nicht oder setzt sich über die Bedenken des AN hinweg und fordert die Fortsetzung der Leistung, stellt sich für den AN regelmäßig die Frage, ob er der Aufforderung nachzukommen hat oder ob er stattdessen mit Blick auf die zu erwartenden Baumängel dazu berechtigt ist, die Leistung zu verweigern.

Nach der Rechtsprechung ist der AN grundsätzlich zur Leistungsfortsetzung verpflichtet, weil er gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B in Folge der Bedenkenanzeige aus seiner Haftung entlassen ist. Eine Ausnahme davon liegt dann vor, wenn die Ausführung gegen gesetzliche und/oder behördliche Bestimmungen verstößt oder eine Gefahr für Leib und Leben hervorruft (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.11.2016 – 10 U 71/16; OLG Hamm, Urt. vom 24.05.2012 - 21 U 95/11; BGH, Beschl. v. 20.05.2014 - VII ZR 193/12 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen); Leinemann, VOB/B, § 4, Rn. 102 mwN).

OLG Frankfurt, Urt. v. 05.08.2022 – 21 U 84/21

Bei dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt beauftragt der AG den AN mit Bodenbelagsarbeiten. Vor Aufnahme der Leistung zeigt der AN gegenüber dem AG Bedenken u.a. wegen vorhandener Restfeuchte im Estrich an. Der AG fordert den AN wiederholt unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung zur Leistungserbringung auf. Der AN kommt diesen Aufforderungen nicht nach und zeigt stattdessen erneut Bedenken an. Der AG erklärt daraufhin eine (Teil-)Kündigung aus wichtigem Grund und verlangt von dem AN gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 VOB/B Erstattung von Fertigstellungsmehrkosten.

Mit Erfolg. Das OLG Frankfurt erachtet die (Teil-)Kündigung als aus wichtigem Grund ausgesprochen an. Dem AN habe nach den ausdrücklichen Anweisungen des AG zur Aufnahme der Arbeiten kein Leistungsverweigerungsrecht zur Seite gestanden, ohne dass es auf die Höhe der Restfeuchte im Estrich ankomme. Denn in Folge der nachhaltigen Bedenkenanzeigen sei die Haftung des AN für die aus der Anweisung resultierenden Mängel entfallen. Nur im Einzelfall könne sich der AN auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen, und zwar nur dann, wenn die „Durchführung der Bauarbeiten etwa eine Gefahr für Leib und Leben oder einen vergleichbaren Ausnahmetatbestand“ beinhalte, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei.

Fazit:

Der AN ist gut beraten, seinen Pflichten nach § 4 Abs. 3 VOB/B nachzukommen und dem AG anzuzeigen, dass er i.S.d. § 6 Abs. 1 VOB/B in der Ausführung behindert ist, wenn der AG seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt und nicht vorgibt, wie mit Blick auf die Bedenken zu verfahren ist. Für den Fall, dass sich der AG über die Bedenken des AN hinwegsetzt, sollte der AN prüfen, ob die unveränderte Ausführung gegen gesetzliche/behördliche Bestimmungen verstößt und/oder Gefahren für Leib und Leben hervorruft. Sollte das nicht der Fall sein, sollte der AN der Aufforderung des AG nachkommen, um sich nicht der Gefahr einer Kündigung aus wichtigem Grund auszusetzen.

Spiegelbildlich ist der AG gut beraten, die Bedenken des AN ernst zu nehmen und eingehend zu prüfen. Denn setzt sich der AG über Bedenken des AN hinweg, kann er den AN nicht für Baumängel in Anspruch nehmen, soweit sich die Bedenken des AN später als zutreffend erweisen, § 13 Abs. 3 VOB/B.

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