News | Newsletter | Neues zum Baurecht 04/2018
DIN-Normen sind nicht immer anerkannte Regeln der Technik!
OLG Nürnberg, Urteil vom 06.08.2015 - 13 U 577 /12
BGH Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 288/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
1. Wird der Architekt mit der Planung eines Parkhauses beauftragt, ist seine Leistung mangelhaft, wenn das Parkhaus aufgrund des von ihm zur Ausführung vorgesehenen Betons nicht tausalz- und frostbeständig ist. 2. Sind zu Beginn der Planungszeit zahlreiche Publikationen bekannt, die auf die speziellen Anforderungen des zu planenden Bauwerks und die Auswahl des Betons eingehen, können konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die zum Zeitpunkt der Planung relevante DIN-Norm hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt. 3. Kommt es zu einem planungsbedingten Baumangel, haftet für diesen Mangel - neben dem Architekten - auch der Auftragnehmer. Der Auftraggeber muss sich jedoch das Planungsverschulden "seines" Architekten anspruchsmindernd zurechnen lassen.
Die Klägerin als Auftraggeberin (AG) forderte von der mit der Planung und Ausschreibung beauftragten Architektin Schadensersatz für die mangelhafte Betonoberfläche einer im Jahr 2001 geplanten und errichteten Parkhauserweiterung. Eine Beschichtung des Bodens wurde auf Wunsch der AG nicht vorgenommen. Die Architektin wies auf etwaige Risiken durch eine fehlende Oberflächenbeschichtung hin. Bereits im ersten Winter nach der Errichtung kam es zu Abplatzungen und Rissbildungen auf der Betonoberfläche.
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass die Planung des Architekten, die vorsah, dass zu errichtende Bauwerk ohne eine Beschichtung der Betonoberfläche im Leistungsverzeichnis auszuschreiben, grundsätzlich einen werkvertraglichen Mangel begründet. Das Erfordernis Parkdecks mit einer geeigneten Beschichtung und daher mit einem zusätzlichen Oberflächenschutz zu versehen war zwar erst in der nachvertraglichen Ausgabe Juli 2001 der DIN 1045 geregelt worden, jedoch waren bereits zu Beginn der Planungszeit mehrere Publikationen veröffentlicht, die auf die spezielle Anforderungen der Nutzung und der konstruktiven Durchbildung eines Parkhauses eingingen und dabei insbesondere neben der Auswahl von Beton mit besonderen Eigenschaften eine Beschichtung der Oberflächen forderten. Der Senat schloss hieraus, dass sich deshalb konkrete Anhaltspunkte dafür ergaben, dass die zum Zeitpunkt der Planung relevante DIN 1045 (1988) hinter den für ein mangelfreies Werk beachtlichen anerkannten Regeln der Technik bereits zurückgeblieben waren.
Fazit
Gem. §§ 4 Abs. 2 Nr. 1 S. 2, 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B schuldet der Auftragnehmer (AN) ein Werk, das zum Zeitpunkt der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht (OLG Köln, Urteil vom 23.10.2001 – 3 U 21/01). DIN-Normen können, müssen aber nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Ein AN sollte deshalb nicht blind die DIN-Vorgaben erfüllen. Liegen bis zur Abnahme mehrere Veröffentlichen vor, die Maßnahmen fordern, die über die einschlägigen DIN-Norm hinausgehen, können konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die anerkannten Regeln der Technik verändert haben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der AN von den Veröffentlichungen Kenntnis hat. Je mehr Veröffentlichungen in renommierten Fachzeitschriften erschienen sind und je eindeutiger dort von der „alten“ Vorgehensweise abgeraten wird, desto eher wird von einer Veränderung der anerkannten Regeln der Technik auszugehen sein. Dem AN ist deshalb zu raten, die einschlägigen Quellen im Auge zu behalten oder sich bei zuständigen Kammern/Innungen zu informieren und den Auftraggeber bis zur Abnahme auf ihn betreffende Veränderungen hinzuweisen. Die Mehrkosten, die zur Erreichung des veränderten, mangelfreien Zustands erforderlich sind, wird der AN vom AG verlangen können (vgl. Herchen, NZBau, 2007, 139, 141 ff.). Möchte der AG das Projekt, ohne Beachtung der neuen Erkenntnisse, weiterführen, hat der AN ihn über die Risiken, die bei unveränderter Fortführung des Werks bestehen, ausführlich aufzuklären. Will der AG danach immer noch am ursprünglichen Plan festhalten, liegt kein Mangel vor, da die insoweit im Einzelfall geltenden anerkannten Regeln der Technik dann konkludent abbedungen wurden (so auch OLG München, Urteil vom 26.02.2013 - 9 U 1553/12 Bau).
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