News | Newsletter | Neues zum Baurecht 04/2018
Die eigenmächtige Abweichung von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit führt stets zum Vorliegen eines Mangels
OLG München, Beschluss vom 03.08.2017 – 28 U 3844/16 Bau (Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen)
Das OLG München hatte einen Fall zu entscheiden, in dem unter anderem vom AN bei Abdichtungsarbeiten im Sockelbereich nicht wie im Leistungsverzeichnis vorgegeben, 1,5 mm dicke Abdichtungsfolien eingebaut wurden sondern lediglich 1,2 mm dicke Abdichtungsfolien. Der AG rügte dies als Mangel und verlangte den Komplettaustausch der Folie. Der AN wies die Mangelrüge mit der Begründung zurück, dass die eingebaute Folie gleichwohl für den Zweck technisch geeignet sei und jedenfalls der Komplettaustausch unverhältnismäßig wäre.
Zu Unrecht, wie das Landgericht und das Oberlandesgericht München übereinstimmend fest-stellten. Der AG hat mit der im Leistungsverzeichnis ausdrücklich angegebenen Dicke von 1,5 mm den Wunsch nach einer bestimmten Soll-Beschaffenheit ausreichend dokumentiert. Hierüber darf sich der AN nicht eigenmächtig hinwegsetzen. Vielmehr ist nach dem sogenannten subjektiven Mangelbegriff des Bundesgerichtshofes jede Abweichung von der Soll-Beschaffenheit ein Mangel, ohne dass es darauf ankommt, ob der Wert oder die Gebrauchstauglichkeit gemindert oder sogar gesteigert wird. Der Unverhältnismäßigkeitseinwand des AN kommt auch nicht zum Tragen, da hierbei zu berücksichtigen ist, ob der AN das Leistungshindernis zu vertreten hat (§ 275 Abs. 2 BGB). Nach Auffassung des Senats ist der beim Landgericht hier zu Grunde gelegte Verschuldensmaßstab „Mittlere Fahrlässigkeit“ nicht zu revidieren, weil auch die eigenmächtige Abweichung vom Leistungsverzeichnis ohne vorherige Rücksprache mit dem AG ein dem AN anzulastendes Verschuldensmoment darstellt.
Das vom AN erst in zweiter Instanz vorgebrachte Argument, auf dem gesamten Markt gebe es für diesen Anwendungsfall kein Produkt mit der ausgeschriebenen Stärke von 1,5 mm, stufte der Senat als neuen und nicht mehr berücksichtigungsfähigen Sachvortrag ein. Zudem wäre es nach Auffassung des Senats für die Entscheidung auch ohne Relevanz. Denn wenn der Unternehmer feststellt, dass es auf dem Markt keine derartige Folie gibt, so darf er ebenso wenig eigenmächtig auf eine Folie mit einer abweichenden Soll-Beschaffenheit ausweichen, sondern muss sich mit dem Besteller ins Benehmen setzen und auf eine Vertragsanpassung hinwirken. Unterlässt er dies, so bleibt es bei der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit und bei der Bejahung eines Werkmangels, wenn hiervon abgewichen wird. Allerdings würden bei dem Vorliegen von Unmöglichkeit der Nachbesserung Mängelbeseitigungsansprüche des AG ebenso wie ein Zurückbehaltungsrecht ausscheiden und ein Schadenersatzanspruch statt der Leistung in Betracht kommen.
Fazit
Das eigenmächtige Abweichen von der vertraglich vorgegebenen Leistung kann den Auftragnehmer teuer zu stehen kommen. Kommt es hierdurch zudem zu einem Schaden, trifft den Auftragnehmer die Haftung. Stattdessen hätte der Auftragnehmer im konkreten Fall im Hin-blick auf die am Markt nicht existierende Foliendicke besser vor Ausführung Bedenken geäußert, verbunden mit einer Behinderungsanzeige und damit dem Auftraggeber die Entscheidung und Planungsverantwortung überlassen, wie die Leistung nunmehr ausgeführt werden soll.
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