News | Newsletter | Neues zum Baurecht 03/2017
Tiefbauunternehmen darf auf die Richtigkeit der Bestandspläne von Versorgungsunternehmen vertrauen!
OLG Brandenburg, Urteil vom 05.04.2017 – 4 U 24/16
Im Rahmen der Erkundungspflicht muss sich ein Tiefbauunternehmen zwar Gewissheit über die Verlegung von Versorgungsleitungen im Boden verschaffen, es ist allerdings nicht dazu verpflichtet, weitere Erkundungen einzuholen, ob in dem Bestandsplan nicht eingetragene Leitungen vorhanden sind.
Das OLG Brandenburg hatte darüber zu entscheiden, ob ein Tiefbauunternehmen, das eine Schmutzwasserleitung eines kommunalen Wasserverbandes bei Kabelverlegungsarbeiten mittels Bohrverfahren beschädigt hatte, Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB leisten muss. Vor Ausführung der Arbeiten hatte der Wasserverband dem Tiefbauunternehmen einen Bestandsplan zur Verfügung gestellt, aus dem sich die Existenz der beschädigten Leitung nicht ergab. Zusätzlich verwies der Verband das Tiefbauunternehmen auf sein Merkblatt, nach dem zwingend eine örtliche Einweisung durch dessen Mitarbeiter erfolgen müsse. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil dem Tiefbauunternehmen keine Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden konnte. Die dagegen gerichtete Berufung des Wasserverbandes blieb ohne Erfolg.
Das OLG Brandenburg bestätigt mit seiner Entscheidung die ständige Rechtsprechung, dass an die Verkehrssicherungspflicht der Tiefbauunternehmen, notwendige und zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung von Leitungen zu verhindern, sehr hohe Anforderungen zu stellen sind. So muss sich das Tiefbauunternehmen vor Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen bei den zuständigen Versorgungsunternehmen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Leitungen erkundigen. Wenn dies nicht weiter hilft, hat sich das Tiefbauunternehmen die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen - wie etwa durch Probebohrungen oder Handausschachtungen – zu verschaffen.
Allerdings bringt das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung deutlich zum Ausdruck, dass die Anforderungen an die den Tiefbauunternehmen obliegenden Sorgfaltspflichten auch nicht überspannt werden dürfen. In dieser konkreten Fallkonstellation hatte das Tiefbauunternehmen bei dem kommunalen Wasserverband einen Schachtschein nebst Bestandsauskunft eingeholt. Aus diesem Plan ergab sich eindeutig nicht die Lage der beschädigten Wasserleitung. Nach Auffassung des OLG Brandenburg hatte das Tiefbauunternehmen keine über die eingeholte Bestandsauskunft hinausgehende Erkundigungspflicht.
Danach kann ein Tiefbauunternehmen auf eine ihm antragsgemäß und kostenpflichtig mit dem Schachtschein übersandte Bestandsauskunft insoweit vertrauen, als dass sich in den Bereichen, in denen keine Leitung ausgewiesen ist, auch keine Leitung befindet.
Auch kann nach Auffassung des OLG Brandenburg das von dem Verband verwendete Merkblatt, nach dem zwingend eine örtliche Einweisung durch dessen Mitarbeiter hätte erfolgen müssen, nicht den Umfang der Verkehrssicherungspflichten der Tiefbauunternehmen erweitern. Denn den Hinweisen in den Merkblättern komme kein Rechtsnormcharakter zu, mit dem eine Schadensersatzhaftung begründet werden könnte.
Das OLG Brandenburg bestätigt mit seiner Entscheidung, dass eine Einsichtnahme in die Bestandspläne des Versorgungsunternehmens dem Tiefbauunternehmen den erforderlichen Grad von Gewissheit über den Verlauf der unterirdisch verlegten Leitungen und Hausanschlüsse gebe.
Fazit:
Das OLG Brandenburg führt die ständige Rechtsprechung des BGH fort, dass Tiefbauunternehmen, die an öffentlichen Straßen Erdbauarbeiten durchführen, sich über die Lage und den Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen vergewissern müssen. Auch nach der Entscheidung des OLG Brandenburg können diese umfassenden Pflichten über die reine Auswertung von Plänen hinausgehen. Allerdings hat das OLG Brandenburg mit seiner Entscheidung die Sorgfaltspflichten insoweit begrenzt, als dass ein Tiefbauunternehmen nicht erkunden muss, ob in dem Bestandsplan nicht eingetragene Leitungen vorhanden sind. Vielmehr darf es auf die Richtigkeit des von dem zuständigen Versorgungsunternehmen übergebenen Bestandsplans vertrauen.
Weitere Artikel dieser Ausgabe
-
Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.: Kündigungsrecht des AN nach § 6 Abs. 7 VOB/B bei Verzögerung des Baubeginns
-
Bei Abdichtungsarbeiten deuten Ausführungsfehler auf mangelhafte Bauüberwachung hin!
-
Dr. Thomas Hildebrandt: (Noch) Keine Entschädigung bei witterungsbedingten Einflüssen
-
Die Höhe des Entschädigungsanspruchs aus § 642 BGB bestimmt sich nach der Vergütung, die dem Unternehmer durch den Annahmeverzug des Bestellers im Verzugszeitraum entgeht, umfasst jedoch nicht entgangenen Gewinn und Wagnis