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Die Höhe des Entschädigungsanspruchs aus § 642 BGB bestimmt sich nach der Vergütung, die dem Unternehmer durch den Annahmeverzug des Bestellers im Verzugszeitraum entgeht, umfasst jedoch nicht entgangenen Gewinn und Wagnis

LG Memmingen, Urteil vom 08.02.2017 – 1 HK O 1976/12

Das Landgericht Memmingen hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Generalunternehmer von seinem Nachunternehmer nach § 642 BGB wegen Bauablaufstörungen in Anspruch genommen wurde.

Bei beiden Parteien handelt es sich um Baufirmen, die sich an einer Ausschreibung für das Bauvorhaben "Staatliche Realschule mit Dreifach-Sporthalle und angebauter Einfach-Sporthalle in M." beteiligten. Den Zuschlag für den Gesamtauftrag erhielt die Beklagte, die anschließend die Klägerin mit Bauvertrag vom 02.02.2009 für dieses Bauvorhaben mit der Herstellung verschiedener Außensportanlagen beauftragte. Die Klägerin legte ihrer Kalkulation Zuschläge zugrunde auf Lohnkosten, Materialkosten, Gerätekosten und Fremdleistungen in Höhe von 10% für allgemeine Gemeinkosten, 3% für Wagnis, 2% für Gewinn und auf die Lohnkosten, Materialkosten und Gerätekosten außerdem einen Zuschlag von 10% für Baustellengemeinkosten. Aufgrund von nicht erbrachten Vorleistungen vereinbarten die Parteien einvernehmlich den 03.06.2009 als neuen Baubeginn. Die Klägerin begann mit den Bauarbeiten entsprechend am 03.06.2009. In der Zeit vom 03.06.2009 bis einschließlich 03.07.2009 konnte die Klägerin einen Teil der Leistungen erbringen. Es kam jedoch zu weiteren Behinderungen. Von der ursprünglich im Jahr 2009 geplanten Bauleistung konnte die Klägerin aufgrund der Behinderung im Zeitraum vom 06.07. bis 07.08.2009 einen Betrag von 56.331,76 Euro nicht mehr im Jahr 2009 gegenüber der Beklagten abrechnen. Die Klägerin konnte im Zeitraum vom 06.07.2009 bis 07.08.2009 keinen zusätzlichen Auftrag akquirieren und auch keine Arbeiten aus bestehenden Aufträgen vorziehen. Die Klägerin macht eine Entschädigung für den Zeitraum vom 06.07.2009 bis 07.08.2009 geltend, weil sie in diesem Zeitraum andere Bauleistungen im Wert von netto 201.506,14 Euro eingeplant habe, die sie wegen der Behinderungen durch die Beklagte nicht habe erbringen können.

Das Landgericht Memmingen meint: Teilweise zu Recht! Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 642 BGB wegen nutzlos aufgewandter Arbeitskraft für den Zeitraum vom 06.07.2009 bis 07.08.2009 zu. Nach § 642 Abs. 1 BGB komme ein Entschädigungsanspruch des Unternehmers in Betracht, wenn sich der Besteller deshalb in Verzug der Annahme befinde, weil er das Baugrundstück für die Leistung des Auftragnehmers nicht rechtzeitig aufnahmebereit zur Verfügung stelle. In dem vorliegenden Fall war der Auftragnehmer (die Klägerin) in der Lage, nachzuweisen, dass der Auftraggeber (die Beklagte) das Baufeld nicht in einem für die Leistungen des Auftragnehmers aufnahmebereiten Zustand zur Verfügung gestellt hatte. Auch konnte der Auftragnehmer die Auswirkungen auf den Bauablauf schlüssig darstellen. Nach der Ansicht des Landgerichts bestimmt sich die Höhe der Entschädigung einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Nach der herrschenden Lehre sei für die Berechnung des Entschädigungsanspruchs nicht auf die schadensrechtliche Differenzhypothese zurückzugreifen, sondern zunächst die Vergütung zu bestimmen, die dem Unternehmer durch den Annahmeverzug des Bestellers im Verzugszeitraum entgangen sei sowie dem Abzug erstens der ersparten Aufwendungen und zweitens der Vorteile aus einer anderweitigen Verwendung der Arbeitskraft von dieser Vergütung. Im Rahmen dieser Bemessung der Entschädigung sei auf die infolge des Verzugs nicht erbrachten Soll-Leistungen abzustellen. Allgemeine Geschäftskosten seien zu berücksichtigen soweit sie in der jeweiligen Geschäftsjahresperiode nicht mehr erwirtschaftet werden könnten. Dies gelte auch für Baustellengemeinkosten soweit sie tatsächlich angefallen seien. Wagnis und Gewinn dagegen seien als reine Schadenspositionen nicht berücksichtigungsfähig.

Fazit:

Der Anspruchsinhalt, die Berechnungsmethode der Entschädigung sowie die Darlegungsanforderungen zur Anspruchsbegründung sind bei dem Entschädigungsanspruch des § 642 BGB nach wie vor in Literatur wie Rechtsprechung hoch umstritten. Nachdem bereits mit Urteil vom 10.01.2017 das Kammergericht Berlin sich ausführlich mit der Frage von Anspruchsinhalt und Anspruchshöhe zu befassen hatte und sich in ausdrücklichen Widerspruch zu den Entscheidungen des OLG Köln (Urt. v. 28.01.2014 – 24 U 199/12 und Beschl. v. 08.04.2015 – 17 U 35/14) gesetzt hatte, liegt nun ein weiteres Urteil, diesmal des Landgerichts Memmingen vor, das sich nun erstmals mit den in der jüngeren Literatur in diesem Zusammenhang diskutierten Fragen ausführlich auseinandergesetzt hat.

Erfreulich ist insoweit für die ausführenden Unternehmen, dass der schadensrechtlichen Betrachtung eine eindeutige Absage erteilt wird. Ebenso positiv für die ausführenden Unternehmen ist, dass das Landgericht Memmingen die Allgemeinen Geschäftskosten grundsätzlich für ersatzfähig hält. Fraglich ist allerdings die Entscheidung, dass BGK – auch wenn diese als Zuschlagssätze kalkuliert werden – nur auf Nachweis zu berücksichtigen seien.

Spannend bleibt weiterhin die Frage, ob Wagnis und Gewinn ebenfalls zu entschädigen sind und ob die Entschädigung nur für den Zeitraum des Verzugs selbst zu gewähren ist. Hier setzt sich das Urteil des Landgerichts Memmingen in Kontrast zu dem Urteil des Kammergerichts vom 10.01.2017. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht in der Sache noch aus. Die Möglichkeit, sich umfassend mit Anspruchsgrund und -inhalt sowie mit der Rechtsfolge zu beschäftigen, besteht. Wie bereits in der Ausgabe 01/2017 berichtet, wird beim Bundesgerichtshof zur Zeit die Revision zu dem Urteil des Kammergerichts vom 10.01.2017 – 21 U 14/16 geführt. Eine Entscheidung bleibt mit Spannung abzuwarten.

Auftragnehmern ist daher dringend zu raten, dass im Falle fehlender Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers – insbesondere in Fällen in denen die Behinderung darin liegt, dass das Baufeld nicht in dem zur Leistungserbringung erforderlichen Zustand zur Verfügung gestellt wird – neben einer Behinderungsanzeige stets auch eine Inverzugsetzung des Auftraggebers hinsichtlich der unterlassenen Mitwirkungshandlung erfolgt und die eigene Leistungsbereitschaft dokumentiert wird. Auch sollten grundsätzlich – bis eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt – alle Kostenbestandteile in vollem Umfang geltend gemacht werden.

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