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Überprüfungs- und Koordinierungspflicht der Bauträger auch bei „echten Sonderwunschverträgen“!

OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.01.2016 – 19 U 133/14

Auch im Falle „echter Sonderwunschverträge“ führt eine verletzte Koordinierungspflicht zur (Mit-)Verantwortlichkeit des Bauträgers!

Die Parteien schließen einen notariellen Bauträgervertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Einfamilienhauses. Als Sonderwunsch des Erwerbers lässt der Bauträger durch seinen Nachunternehmer, einen Heizungsbauer, anstelle der in der Baubeschreibung vorgesehenen Radiatorenheizung eine Fußbodenheizung verlegen. Den dafür anfallenden Aufpreis zahlt der Erwerber unmittelbar an den Heizungsbauer. Im Rahmen des von dem Erwerber eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens stellt der Sachverständige eine nicht ausreichende, DIN-konforme Beheizung des Wohnhauses fest. Der Erwerber fordert zur Mängelbeseitigung diverse Einstellarbeiten sowie den Einbau von Raumthermostaten. Der vom Bauträger gestellte Brennwertkessel als solcher ist hingegen mangelfrei. Der Bauträger verneint eine Verantwortlichkeit für die von dem Heizungsbauer im Rahmen des zwischen ihm und dem Erwerber abgeschlossenen eigenständigen Sonderwunschvertrages verursachten Ausführungsfehler, weil sein Leistungsumfang mit dem Einbau des Brennwertkessels geendet habe.

Das OLG Karlsruhe meint: Zu Unrecht! Als Sachwalter trägt der Bauträger eine  Koordinierungspflicht gegenüber dem Erwerber, welche eine Verantwortlichkeit für das störungsfreie Funktionieren einzelner Bestandteile im Rahmen des Gesamtwerks begründen kann. Der Bauträger ist demnach auch bei einem selbständig abgeschlossenen Sonderwunschvertrag zwischen Erwerber und  ausführendem Handwerker gehalten, Überprüfungen dahingehend anzustellen, ob sich die Fußbodenheizung als Sonderwunsch in das Gesamtkonzept der übrigen Bauleistungen störungsfrei einfügt. Diese Koordinierungspflicht bezieht sich insbesondere auf die Verbindungs- bzw. Schnittstellen zwischen Grundgewerk und Sonderwunsch, hier also zwischen dem vom Bauträger gestellten Brennwertkessel und der durch den Heizungsbauer eingebauten Fußbodenheizung. Insoweit hätte er auch gegebenenfalls planerische Anweisungen erteilen müssen. Dass der Bauträger seiner Koordinierungspflicht genügte, wird von keiner Partei behauptet. Der Bauträger ist daher für die durch den Sachverständigen festgestellten Mängel an der Heizungsanlage (mit-)verantwortlich.

Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass sich Bauträger auch im Fall „echter Sonderwunschverträge“ ihrer (Mit-)Verantwortung für eine ausreichende Koordinierung nicht entziehen können. Selbst  wenn der Erwerber also unmittelbar mit dem Handwerker Sonderwünsche vereinbart und diese ohne Mitwirken des Bauträgers ausgeführt werden, kann im Falle von Mängeln eine gesamtschuldnerische Haftung des ausführenden Handwerkers zusammen mit dem Bauträger die Folge sein. Deswegen sollten Bauträger ihre Koordinierungspflicht ernst nehmen und sorgfältig prüfen, ob sich der Sonderwunsch in das Gesamtbauwerk des übrigen Bauwerks störungsfrei einfügt. Ist dies nicht der Fall, muss der Bauträger darauf hinweisen. Eine isolierte Betrachtung zwischen „Bauträgervertrag“ und „echtem Sonderwunschvertrag“ ist nicht einfach möglich – und dies gilt, wie die Entscheidung zutreffend klarstellt, nicht nur für den Fall, dass sich der Sonderwunsch auf Schnitt- oder Verbindungsstellen zwischen Grundgewerk und Sonderwunsch bezieht. Die Pflicht zur Koordinierung resultiert vielmehr daraus, dass der Bauträger ein funktionsfähiges Gesamtbauwerk schuldet. 

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