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Der funktionale Mangelbegriff und die Vorunternehmerleistung – OLG Hamm auf Abwegen

OLG Hamm, Urt. v. 19.04.2016 - 24 U 48/15

Der Auftragnehmer (AN) klagt Restwerklohn für eine von ihm erstellte Fußbodenheizung ein. Der Auftraggeber (AG) hat den Werklohn gemindert, weil die vereinbarte Kühlfunktion nicht benutzt werden kann. Die Verkabelung der Thermostate mit der Heizungsanlage hatte ein Elektriker (Vorunternehmer) vorgenommen, der ein Kabel verwendet hat, mit dem die Kühlfunktion nicht angesteuert werden konnte. Das OLG Hamm verneint eine Mangelhaftigkeit des Werks des AN.

Das Gericht ist der Auffassung dass dann, wenn mehrere Unternehmen einzeln mit unterschiedlichen Arbeiten beauftragt werden, die erst in ihrer Gesamtheit eine funktionsfähige Anlage gewährleisten, der einzelne Unternehmer lediglich die Pflicht zur Ausführung seines Werkes und zur Zusammenarbeit mit den anderen Unternehmen hat, wie diese von ihm im Hinblick darauf erwartet werden kann, dass seine Leistungen einen insgesamt sachgerechten Beitrag zu einem funktionsgerechten Gesamtwerk darstellen. Eine Hinweispflicht reiche nur so weit, wie für den AN bei der gebotenen und von ihm durchzuführenden Prüfung das Risiko für eine nicht vertragsgerechte Ausführung eines anderen Unternehmers für die funktionstaugliche Errichtung des Gesamtwerks erkennbar war. Die Kühlfunktion war dem Elektriker bekannt, diese Kenntnis reicht aus, um daraus zwingend und ohne weitere Informationen auf die Erforderlichkeit eines mindestens 4-adrigen Kabels schließen zu können. Der AN konnte sich auf die von ihm anzunehmenden Kenntnisse des Elektrikers als Fachunternehmen verlassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht um außergewöhnliche Konstruktionen handelt, sondern nur das allgemeine fachliche Grundwissen des anderen Unternehmers berührt ist. Über die Kühlfunktion musste der AN nicht aufklären, weil in objektiver Hinsicht keine Aufklärungsbedürftigkeit des Elektrikers bestand. Ein Hinweis des AN hätte keinen zusätzlichen Informationsgehalt vermittelt.

 Fazit

Diese Entscheidung ist mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 08.11.2007, VII ZR 183/05, NJW 2008, 511) nicht vereinbar. Ein Mangel liegt vor, wenn eine vereinbarte Beschaffenheit - hier Kühlfunktion - nicht vorliegt. Die Herstellungspflicht des AN beschränkt sich dabei nicht auf die Abarbeitung eines Leistungsverzeichnisses, sondern es besteht eine darüber hinausgehende Herstellungspflicht, die auf die Errichtung eines für den Vertragsinhalt zweckentsprechenden und funktionsgerechten Werkes abzielt. Das Vorliegen eines Mangels wäre folglich zu bejahen gewesen.

Entgegen der Entscheidung des OLG Hamm ist die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht kein Tatbestand, der die Mängelhaftung begründet. Die verschuldensunabhängige Mängelhaftung wird nur durch einen Mangel des vom AN hergestellten Werkes begründet. Die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht ist demgegenüber ein Tatbestand, der den AN von der Haftung befreit. § 13 Nr. 3 VOB/B setzt voraus, dass das Werk des AN mangelhaft ist und stellt zunächst klar, dass der AN, dem Grundsatz der verschuldensunabhängigen Mängelhaftung folgend, auch dann haftet, wenn der Mangel auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des AG, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen ist. Sodann wird als Ausnahme von diesem Grundsatz der Befreiungstatbestand formuliert. Der AN haftet nicht, wenn er gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B seine Bedenken gegenüber dem AG unverzüglich - möglichst schon vor Beginn der Arbeiten, schriftlich - mitgeteilt hat. Dies ist eine Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben, die über den Anwendungsbereich der VOB/B hinaus auch für den Bauvertrag im Allgemeinen gilt (BGH, Urt. V. 23.06.1960 - VII ZR 71/59, NJW 1960, 1813; Urt. v. 23.10.1986 - VII ZR 267/85, BauR 1987, 86, 87). Der Ansatz des OLG, dass eine Hinweispflicht gegenüber dem Elektriker bestanden haben könnte, ist erst recht verfehlt. Eine Hinweispflicht besteht allenfalls gegenüber dem Vertragspartner nicht aber gegenüber einem Dritten.

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