News | Newsletter | Neues zum Baurecht 03/2016
AGB-Widrigkeit des Aufrechnungsausschlusses
Zur Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem gewerblichen Mietvertrag
BGH, Urt. v. 06.04.2016 - XII ZR 29/15
Der Vermieter von Gewerberäumen verlangt von den Mietern rückständige Miete. Die Mieter hatten eine Mietminderung geltend gemacht und diese auf einen Wassereintritt durch das Dach gestützt. Der Vermieter beruft sich auf die Unzulässigkeit der Minderung, weil der Mietvertrag einen formularmäßigen Ausschluss des Aufrechnungsrechts der Mieter enthält.
Der BGH hat die Formularklausel in dem Gewerbemietvertrag als unangemessene Benachteiligung der Mieter angesehen. Grundsätzlich ist die Mietminderung bei Geschäftsraummiete - anders als bei der Wohnraummiete - einschränkbar. Dies folgt aus dem Umkehrschluss zu § 536 Abs. 4 BGB. Eine solche Einschränkung ist grundsätzlich auch formularmäßig möglich (BGH, Urt. v. 23.04.2008 - XII 62/06; BGHZ 176, 191). Gleiches gilt vom Grundsatz für eine formularmäßige Einschränkung der Aufrechnung auf unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Gegenforderungen (BGH, Urt. v. 14.11.2007 - VII ZR 337/06; WuM 2008, 152). Die vorliegende Formularklausel hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand. Nach dem Wortlaut der Klausel ist eine Minderung der Miete ebenso wie die Aufrechnung und die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegen die Mieter ausgeschlossen. Die Ausnahme für unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Forderungen beschränkt sich ausdrücklich auf Forderungen „aus dem Mietverhältnis“. Eine derartige Verkürzung der Gegenrechte der Mieter benachteiligt diese entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Einer unmittelbaren Anwendung von § 309 Nr. 3 BGB bedarf es nicht. Diese Bestimmung ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Mieter die Räume als Unternehmer gemietet haben. Es gilt jedoch das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 307 BGB, weshalb die gesamte Aufrechnungsklausel unwirksam ist, so der BGH.
Fazit
Der BGH hat zudem geprüft, ob eine geltungserhaltende Reduktion der streitgegenständlichen Klausel in Betracht kommt. Deren Voraussetzungen hat er jedoch mit der Begründung verneint, dass die klauselmäßige Gestattung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen inhaltlich derart eng mit der Beschränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis selbst verknüpft, dass diese bei einem Herausstreichen der Beschränkung inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde. In der Praxis sollten daher Mietreduzierungen, Aufrechnungsverbote etc. nie in einem einheitlichen Satz geregelt werden, sondern auf ggf. mehreren Formularklauseln verteilt werden, um in Betracht kommende Einschränkungen nicht insgesamt zu verlieren.
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