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Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB und Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Norm

BGH, Urteil vom 08.03.2024 – V ZR 119/23

Ist vereinbart, dass die Wohnungseigentümer einer Mehrhausanlage so gestellt sind wie Alleineigentümer und ist Ihnen eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums gestattet, so begründet im Zweifel nicht jeder Verstoß gegen eine öffentlich-rechtliche Norm einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB. Die Norm muss vielmehr drittschützend sein.

Sachverhalt

Der Fall findet sich in einer städtischen Wochenendhaussiedlung in Schleswig-Holstein, die in einem Bebauungsplangebiet mit Wochenendhäusern als Einzelhäuser liegt. Im Jahr 2003 teilte die Stadt die Grundstücke auf und teilte jedem Wochendhausbesitzer ein Sondernutzungsrecht zu. In der dabei verfassten Teilungserklärung sind unter anderem geregelt:

  1. Gebäude, die mit bauordnungsrechtlicher Genehmigung errichtet wurden, genießen Bestandschutz
  2. Jeder Eigentümer ist einem Alleineigentümer gleichgestellt und kann das Haus so nutzen, soweit sich aus der Teilungserklärung keine Nutzungseinschränkungen ergeben und die baurechtlichen Vorschriften beachtet werden
  3. Veränderungen für nicht bebaute Grundstücksteile sind im Rahmen des nach öffentlichem Recht Zulässigen erlaubt, sodass das Grundstück zum Teil bebaut werden darf, solange der Grenzabstand zum Nachbarn eingehalten wird und eine Baugenehmigung vorliegt

Die Fläche des Hauses darf laut Bebauungsplan 35 m² betragen zzgl. eines 10 m² großen Freisitzes oder verglasten Anbaus. Das Wochenendhaus des B stammt aus dem Jahr 1971 und hat eine Fläche von 69,81 m². Im Jahr 2018 erhielt B eine Baugenehmigung für Sanierung und Umbau des Bestandsgebäudes sowie die Errichtung eines neuen Dachs. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) als Klägerin verlangt nun den Rückbau des Hauses von B auf die im Bebauungsplan festgelegte Fläche von 35 m². Das Amtsgericht wies die Klage ab und auch die Berufung vor dem Landgericht wurde abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin dieses Ziel weiter - mit zumindest einem Teilerfolg.

Entscheidung

Der BGH hob die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies diesen Fall zur Entscheidung wieder zurück, weil die bislang getroffenen Feststellungen einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB nicht rechtfertigen. Die vom BGH zu klärende Frage ist, ob in dem unterstellten Baurechtsverstoß schon eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu sehen ist oder ob dies nur bei der Verletzung einer drittschützenden Norm vorliegt. Der BGH unterstellte bei seiner Beurteilung, dass der Umbau aus dem Jahr 2018 keinen Bestandsschutz habe und in seiner konkret ausgeführten Form nicht genehmigt ist, weil das Berufungsgericht dazu nichts ausgeführt hat. Grundsätzlich stellt der BGH zu Beginn fest, dass das Wohnungseigentumsgesetz (WEG), hier der § 22 Abs. 1 WEG aF (jetzt § 20 Abs. 1 WEG), abdingbar ist und Veränderungen über bauliche Veränderung vereinbart werden können. An dieser muss dann die Zulässigkeit der baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums bewertet werden. Hier bedeutete dies: Wenn die bauliche Veränderung nach der Teilungserklärung nicht gestattet gewesen ist, liegt schon darin eine Verletzung von Gemeinschaftseigentum vor.

Geht aus einer Teilungserklärung hervor, dass jeder Wohnungseigentümer in einer Anlage die Stellung wie ein Alleineigentümer innehat, geht die bestehende Instanzrechtsprechung davon aus, dass die übrigen Eigentümer bei baulichen Veränderungen nur die Einhaltung von drittschützenden Normen geltend machen können. Damit führt nicht jeder Zweifel eines Verstoßes gegen eine öffentlich-rechtliche Norm zu einem Beseitigungsanspruch, sondern erfordert eine drittschützende Norm. Diese Anknüpfung entspricht der Bewertung bei real geteilten Grundstücken. Das Berufungsgericht sah hier keine drittschützenden Normen verletzt, was der BGH klarstellte und zurückwies: Die Festsetzung über die Grundfläche von Wochenendhäusern in einem Bebauungsplan ist Teil der Gebietsfestsetzung nach § 10 Abs. 1, Abs. 3 S. 3 BauNVO, dient der Absicherung der Nutzungsart als Wochenendhausgebiet und ist daher drittschützend. In Abgrenzung dazu ist § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zu sehen, der nur das Maß der Nutzung im Bebauungsplangebiet regelt und in der Regel nicht drittschützend ist. Auf diese Auslegungsregelung kommt es hier jedoch nicht an, weil vorliegend eine Teilungserklärung im Grundbuch eingetragen ist und damit vorrangig einzuhalten ist. In der hier vorliegenden Teilungserklärung ist in Bezug auf bauliche Änderungen darauf abzustellen, dass ein Abstand zum Nachbarn eingehalten ist und eine Baugenehmigung erteilt ist. Liegt keine Baugenehmigung vor, so muss das Bauwerk insgesamt genehmigungsfähig sein.

Zum Vorliegen der Baugenehmigung bzw. der Genehmigungsfähigkeit des im Jahr 2018 errichteten Umbaus hat das Berufungsgericht jedoch nichts ausgeführt. Daher erfolgt die Zurückverweisung an das Landgericht, mit der Maßgabe, dass geprüft werden muss, ob das errichtete Gebäude der Baugenehmigung von 2018 entspricht oder ob B nicht das genehmigte Bauvorhaben, sondern stattdessen ein anderes errichtet hat. Ist das Bauvorhaben aus dem Jahr 2018 durch die Baugenehmigung gedeckt, führt das zu einer Duldungspflicht. Sollte sich herausstellen, dass der Umbau nicht durch die Baugenehmigung abgedeckt und der Umbau auch nicht genehmigungsfähig ist, wäre der Rückbauanspruch gegeben und das Landgericht müsste der Berufung der Kläger stattgegeben.

Fazit

So gilt bei der Prüfung des Bestehens eines möglichen Abwehranspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB auch die Teilungserklärungen und die Gemeinschaftsordnung mit einem besonderen Augenmerk zu prüfen. Grundsätzlich beachtenswert an diesem Fall ist, dass die in § 20 Abs. 1 WEG festgeschriebene Regelung zu baulichen Veränderungen durch die Wohnungseigentümer abbedungen werden kann. Dieses kann dazu führen, dass die Wohnungseigentümer in einer Wochenendhausanlage jeder wie ein Alleineigentümer anzusehen sind. Die anderen Eigentümer können bei baulichen Veränderungen dann nur die Einhaltung drittschützender Normen geltend machen. Dieses führt dazu, dass nicht jeder Verstoß gegen eine öffentlich-rechtliche Norm einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB begründet.

Autor

Carola Schad

Carola Schad

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