News | Newsletter | Neues zum Baurecht 03/2023
Gewerkeweise Vergabe – kein Verbraucherbauvertrag
BGH, Urteil vom 16.03.2023, VII ZR 94/22
Die Auftraggeber, ein Ehepaar, ließen als private Bauherren einen Neubau errichten. Die erforderlichen Gewerke vergaben die Eheleute jeweils an die einzelnen Bauunternehmer. Nach Errichtung des Rohbaus erbrachte die Auftragnehmerin aufgrund eines im August 2018 geschlossenen Vertrag Innenputz- und Außenputzarbeiten. Auf gestellte Abschlagsrechnungen leisteten die Auftraggeber unter Berufung auf vorliegende Mängel keine vollständigen Zahlungen, so dass die Auftragnehmerin die Stellung einer Sicherung gemäß § 650 f Abs. 1 BGB von den Auftraggebern unter Fristsetzung forderte. Die begehrte Sicherheit wurde durch die Auftraggeber nicht gestellt und daher von der Auftragnehmerin eingeklagt.
In I. Instanz hatte das Landgericht der Auftragnehmerin die Sicherheit zugesprochen. In II. Instanz wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass der Klägerin ein Anspruch auf Stellung der Sicherheit nicht zugestanden habe, weil nach dessen Auffassung trotz des Vertrages über ein einzelnes Gewerk ein Verbraucherbauvertrag i. S. d. § 650 i BGB vorläge und insoweit die Ausnahmevorschrift des § 650 f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Var. 1 BGB gelte.
Der Bundesgerichtshof hat, sich mit dem Wortlaut des § 650 i Abs. 1 BGB auseinandersetzend, entschieden, dass ein Verbraucherbauvertrag voraussetzt, dass der Bauunternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Danach reicht es nach dem Gesetzeswortlaut nicht aus, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der Systematik des Gesetzes zu entnehmen, dass § 650 i Abs. 1, Var. 1 BGB gerade keine Verträge umfasst, die nur im Zusammenhang mit dem Bau eines Gebäudes stehen oder die Verpflichtung zur Herstellung eines Teils dieses Baus enthalten. Nach dem Bundesgerichtshof ergibt sich auch nichts anderes unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes. Die den Unternehmer eines Verbraucherbauvertrages treffenden gesetzlichen Pflichten, lassen ebenfalls darauf schließen, dass auch ihnen eine Verpflichtung zum Bau des gesamten Gebäudes und nicht nur von in diesem Zusammenhang zu erbringenden Einzelgewerken zugrunde liegt. Denn der Unternehmer hat dem Verbraucher grundsätzlich eine Baubeschreibung in Textform zur Verfügung zu stellen, die alle wesentlichen Eigenschaften, im mindestens jedoch eine allgemeine Beschreibung des herzustellen Gebäudes umfasst. Diese Mindestangaben setzen nach dem Bundesgerichtshof voraus, dass das angebotene Werk der Bau des gesamten Gebäudes ist. Die Mindestangaben machen dagegen keinen Sinn bei der Verpflichtung zur Herstellung nur eines einzelnen Gewerks im Zusammenhang mit der Errichtung eines neuen Gebäudes. Weiter führt der Bundesgerichtshof aus, dass der Gesetzgeber die Definition des Verbraucherbauvertrages in § 650 i BGB bewusst anders gewählt hat als die Terminologie des Bauvertrages in § 650 a BGB. Nach dem Bundesgerichtshof verbietet es auch das Gebot der Rechtsklarheit, den Begriff des Verbraucherbauvertrages aus Gründen des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext klar erkennbar wäre. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ergibt sich darüber hinaus auch keine planwidrige Gesetzeslücke, die eine entsprechende Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 650 f Abs. 6 Nr. 2, Var. 1 BGB auf Verträge über einzelne Gewerke im Rahmen des Baus eines neuen Gebäudes rechtfertigen könnte.
Das Recht zur Forderung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 650 f Abs. 1 BGB ist also auch auf Verträge anwendbar, an denen zwar ein Verbraucher beteiligt ist, die jedoch keinen Verbraucherbauvertrag i. S. v. § 650 i Abs. 1, Var. 1 BGB darstellen, weil z. B. die erforderlichen Gewerke jeweils einzeln vergeben werden.
Fazit
Bei der Errichtung eines neuen Gebäudes durch eine Privatperson genießt diese nur dann den gesetzlichen Verbraucherschutz, wenn eine Beauftragung des gesamten Bauvorhabens, z. B. an einen Generalunternehmer erfolgt, der im Verhältnis zum Auftraggeber für die erforderliche Leistungserbringung insgesamt verantwortlich ist. Nur dann wäre ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650 i BGB geschlossen.
Anderenfalls, insbesondere bei einer gewerkeweisen Beauftragung schließt auch eine Privatperson einen Bauvertrag gemäß § 650 a BGB, für den die Sondervorschiften des Verbrauchbauvertrages nicht gelten.
Die vorliegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs dürfte auch für § 650 i Abs. 1, Var. 2 BGB, erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude gelten, auch wenn sich diese hierzu nicht ausdrücklich verhält. Der Gesetzesbegründung zu § 650 i BGB ist insoweit jedenfalls zu entnehmen, dass erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude dann vorliegen, wenn diese quasi dem Neubau eines Gebäudes gleichkommen (und nur deshalb kein Neubau vorliegt, weil es sich um ein bereits bestehendes Gebäude handelt, welches (noch) nicht abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wird).
Autor
Andrea Hierl
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