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Zur fiktiven Mängelbeseitigung außerhalb des Werkvertragsrechts (Verkehrsunfall)

BGH, Urteil vom 18.02.2020 – VI ZR 115/19

Nach Beschädigung seines Kraftfahrzeugs macht der Geschädigte fiktive Reparaturkosten in Höhe von ca. EUR 5.000,00 geltend. Die Versicherung des Schädigers zahlt einen Teil dieses Betrages (etwa EUR 3.500,00) an den Geschädigten aus, meint aber, der Restbetrag sei aufgrund nicht erforderlicher Reparaturen sowie aufgrund niedrigerer Stundensätze in nicht markengebundenen Fachwerkstätten abzuziehen. Der Geschädigte klagt den Differenzbetrag ein. Sowohl das Amtsgericht in erster Instanz sowie das Landgericht in zweiter Instanz haben dem Kläger nur einzelne Positionen zuerkannt, die der schädigende Beklagte wegen fehlender Erforderlichkeit gekürzt hatte und die Klage bzw. die Berufung im Übrigen abgewiesen. Mit seiner Revision wendet sich der Kläger unter anderem gegen die Verweisung auf niedrigere Stundenverrechnungssätze nicht markengebundener Fachwerkstätten, die zwischenzeitlich zudem auf das Niveau der markengebundenen Fachwerkstatt angestiegen waren. Letzteres war aus Sicht des Berufungsgerichts unbeachtlich, da ein Geschädigter mit Verweis auf die Schadensminderungspflicht gehalten sei, die Schäden in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu reparieren.

Der BGH entscheidet, dass sich der Geschädigte grundsätzlich auf die günstigeren Preise der nicht markengebundenen Fachwerkstätten verweisen lassen müsse. Allerdings gingen nach Auffassung des BGH nachträgliche – negative – Preisveränderungen zulasten des Schädigenden, da es grundsätzlich dessen Sache sei, die Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Anspruch des Geschädigten bestehe, bis dieser vollständig erfüllt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt – aus prozessualer Sicht bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – könnten sich negative Preisveränderung nicht zulasten des Geschädigten auswirken. Eine Pflicht des Geschädigten, die Reparatur alsbald nach der Schädigung vornehmen zu lassen, existiere nicht. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht bei der Geltendmachung fiktiver Mangelbeseitigungskosten. Der Geschädigte musste sich hier also auf die an sich günstigeren Preise der nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen lassen, konnte der Schadensberechnung aber die nunmehr gestiegenen Preise derselben zugrunde legen.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats, wonach die Bemessung mängelbedingter Schadensersatzansprüche nicht nach fiktiven Grundsätzen erfolgen könne, außerhalb des Werkvertragsrechts wenig Zustimmung findet. Der VI. Zivilsenat berechnet den Schaden ohne weiteres nach den fiktiven Kosten der Mangelbeseitigung und setzt sich mit der abweichenden Rechtsprechung des VII. Zivilsenats im Übrigen nicht auseinander. Anders jüngst der der u.a. für den Immobilienkauf zuständige V. Zivilsenat: In seinem Beschluss vom 13.03.2020 (V ZR 33/19) macht dieser deutlich, sich der Rechtsprechung des VII. Zivilsenat nicht anschließen zu wollen. Aus diesem Grund richtet der V. Zivilsenat im zitierten Beschluss eine Anfrage gem. § 132 Abs. 3 S. 1 GVG an den VII. Zivilsenat, ob dieser an seiner Rechtsprechung hierzu festhalte. Teilt der VII. Zivilsenat mit, er wolle an seiner Rechtsprechung festhalten, besteht die Möglichkeit der Vorlage an den Großen Zivilsenat. Ob der Große Senat sich hiermit auseinanderzusetzen hat und ob dieser an der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zur fiktiven Schadensberechnung im Werkvertrag festhält, bleibt abzuwarten.

Autor

Kai Linnemannstöns

Kai Linnemannstöns

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