News | Newsletter | Neues zum Baurecht 03/2018
Zur Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag nach Unionsrecht
Die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag hat ohne Rückgriff auf nationale Vorstellungen und Auslegungsmethoden zu erfolgen.
EuGH, Urteil vom 07.09.2017 – Rs. C – 247/16
Die klagenden Eheleute hatten einen Unternehmer mit der Sanierung ihres Gartenpools beauftragt. Nach Abschluss der Sanierung des Pools zeigten sich verschiedene Mängel, die erst nach der Inbetriebnahme des Werks zu erkennen waren. Die Mängel betrafen insbesondere die Reinigungsanlage und die Pumpe. Der Ehemann forderte den Unternehmer auf, die Mängel zu beseitigen. Allerdings hatte er zuvor seine Mängelansprüche bereits an die Ehefrau abgetreten.
Nachdem der Unternehmer dieser Aufforderung nicht nachkam, leitete die Ehefrau ein selbständiges Beweisverfahren ein, in welchem sich die gerügten Mängel bestätigten. Nach Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens ließen die Eheleute die gerügten Mängel beseitigen. Die Ehefrau erhob wegen der ihnen insoweit entstandenen Kosten gegen den Unternehmer Klage auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 2 BGB, § 637 Abs. 1 BGB. Das zuständige Landgericht Hannover stellte fest, dass es – wegen der schon zuvor erklärten Abtretung – an einer wirksamen Nachfrist fehle, da die Frist nicht von der Ehefrau, sondern noch von dem Ehemann gesetzt worden war.
Das Landgericht Hannover setzte das Klageverfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: Ist Art. 3 Abs. 5 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 1999/44 ein Grundsatz des europäischen Verbraucherrechts dahingehend zu entnehmen, dass es bei allen Geschäften mit Bezug auf Verbrauchsgüter zwischen Nichtverbrauchern und Verbrauchern für die Geltendmachung sekundärer Gewährleistungsrechte ausreichend ist, dass der gewährleistungspflichtige Nichtverbraucher nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat, ohne dass es insoweit der ausdrücklichen Setzung einer Frist zur Mangelbeseitigung bedarf, und dass die Vorschriften des nationalen Rechts dazu beispielsweise auch im Fall eines Verbrauchsgüterwerkvertrags entsprechend auszulegen und gegebenenfalls zu reduzieren sind?
Der EuGH beantwortet die Frage im Ergebnis nicht, da er sich für die Beantwortung der Frage für nicht zuständig erachtet, weil kein Verbrauchsgüterkauf im Sinne der Richtlinie vorliegen würde. Zur Begründung führt der EuGH aus, dass sich der Geltungsbereich der Richtlinie 1999/44 auf „Kaufverträge“ beschränke. Der Ausdruck „Kaufvertrag“ sei für die Anwendung der Richtlinie als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen, der im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen ist. Nach Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie würden zwar auch „Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter“ als Kaufverträge gelten. Hierzu gehörten aber nur solche Verträge, gemäß welchen die Dienstleistung der Montage von Gütern zum Hauptgegenstand des Vertrags gehören und der Verkauf der Güter diese Dienstleistung lediglich ergänzt. Bei dem hier in Rede stehenden Vertrag über die Sanierung eines Pools sei dies nicht der Fall.
Fazit
Die Entscheidung des EuGH liegt zum Anwendungsbereich des zu § 650 BGB (= § 651 BGB alt) auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BGH, gemäß welcher die Vereinbarung einer Verpflichtung zur Montage der beweglichen Sache nichts an der rechtlichen Einordnung des Vertrags als Kaufvertrag ändert, solange die Montageverpflichtung nicht von solchem Gewicht ist, dass sie dem Vertrag dessen wesentliches Gepräge gibt und daher Werkvertragsrecht anzuwenden ist (BGH, Urteil vom 16.4.2013 – VII ZR 375/11, IBR 2013, 593). Maßgebend für die Abgrenzung zwischen einem Kaufvertrag mit Montageverpflichtung und einem Werkvertrag ist damit, ob nach dem Vertrag die Pflicht zur Eigentumsübertragung zu montierender Einzelteile oder eine Herstellungspflicht im Vordergrund steht.
Zu der vom Landgericht Hannover aufgeworfenen Frage betreffend die Erforderlichkeit einer Frist zur Mängelbeseitigung bleibt der EuGH zwar eine Antwort schuldig, das Verfahren zeigt aber gleichwohl, dass es im Hinblick auf das Unionsrechts offenbar eine Tendenz gibt, die Anforderungen an eine Fristsetzung vor der Geltendmachung (kauf-)vertraglicher Mängelrechte weiter herabzusetzen. Der BGH hat bereits entschieden, dass es im Kaufrecht einer ausdrücklichen Fristsetzung nicht bedarf, solange dem Schuldner ausreichend klar gemacht wird, dass es dem Gläubiger um eine sofortige, unverzügliche oder vergleichbar formulierte umgehende Erledigung geht (BGH, Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 49/15, IBR 2016, 550). Solange dies allerdings nicht ausdrücklich auch für das Werkvertragsrecht höchstrichterlich entschieden ist, ist jeder Besteller gut beraten, vor Durchführung jedweder Ersatzvornahme für eine rechtswirksame und vor allem auch nachweisbare Fristsetzung zur Mängelbeseitigung Sorge zu tragen.
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