News | Newsletter | Neues zum Baurecht 02/2017
Urteilsbesprechung zum Urteil des OLG München vom 06.12.2016 zu 28 U 2388/16
Die Abnahme von Eigentumswohnungsanlagen ist in vielfältiger Hinsicht problematisch. Bei Eigentumswohnungsanlagen ist zu differenzieren zwischen dem Sondereigentum und dem Gemeinschaftseigentum.
Mit Hinblick darauf, dass Regelungen in den Erwerbsverträgen nicht zu einer wirksamen Bindung des jeweiligen Erwerbers an eine Abnahmeerklärung z. B. des Verwalters, eines Sachverständigen oder eines anderweitigen Dritten führen, haben Bauträger verschiedentlich versucht, andere Wege zu finden, um eine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch jeden individuellen Erwerber zu erreichen.
Hierbei wurde, so auch im Fall des hier im Weiteren besprochenen Urteil des OLG München vom 06.12.2016 zu 28 U 2388/16, darauf zurückgegriffen, durch den (im Regelfall durch den Bauträger eingesetzten) Verwalter der Eigentumswohnungsanlage eine Wohnungseigentümerversammlung einberufen zu lassen und dort im Wege des Mehrheitsbeschlusses die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu beschließen mit dem Ziel, dass dieser Beschluss verbindlich für alle Eigentümer wirken solle. Mit anderen Worten sollte die Abnahmeerklärung durch Beschluss der Eigentümerversammlung erfolgen und dem einzelnen individuellen Erwerber sein Anspruch auf individuelle Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft entzogen werden. Anders als in den Fällen des BGH sollte also die Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht durch den Verwalter oder einen Sachverständigen erklärt werden, sondern der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft überlassen werden. Rein oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass eine solche Verfahrensweise, die die Angelegenheit in die Hände der WEG legt, den Erwerber nicht unangemessen benachteiligt und geradezu demokratisch klingt.
Das OLG München hat mit dem Urteil vom 06.12.2016 zu 28 U 2388/16 einen derartigen Beschluss jedoch als nichtig angesehen. Nach Auffassung des OLG München besteht keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums per Beschluss an sich zu ziehen und zu erklären. Die Wohnungseigentümergemeinschaft darf also nicht über die Abnahme per Beschluss entscheiden.
Das OLG München hat hierzu ausgeführt, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums keine originäre Angelegenheit der Wohnungseigentümergemeinschaft sei, sondern des jeweiligen einzelnen Vertragspartners des Bauträgers (mit anderen Worten des Erwerbers). Es fehle daher der Wohnungseigentümerversammlung die Kompetenz für eine Beschlussfassung zur Erklärung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums.
Diese Rechtsauffassung des OLG München ist nach Auffassung des Verfassers zutreffend.
Bei der Abnahme handelt es sich um eine Verpflichtung des jeweiligen Erwerbers aus dem Bauträgervertrag. Diese Verpflichtung des Erwerbers kann nicht durch Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft geregelt werden. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums hat u. a. auch Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit und Verzinsung der Vergütung oder z. B. hinsichtlich eines Vertragsstrafenanspruchs. Es handelt sich bei der Abnahme somit um einen Regelungsgegenstand, der bestimmte individuelle Rechte umfasst, die zwingend nur dem einzelnen Eigentümer zustehen können und nicht gegen den Willen des einzelnen individuellen Erwerbers auf die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss übertragbar sind.
Fazit und Handlungsempfehlung:
Es verbleibt somit dabei, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums individuell von jedem Wohnungseigentümer erklärt werden muss.
Als Lösungsmöglichkeit bietet sich hierzu jedoch Folgendes an:
Der Bauträger, der naturgemäß das größere Interesse an der Durchführung einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums hat, kann, sofern er selbst noch Eigentümer einer Wohnung ist, eine Beschlussfassung beantragen, nach der ein Sachverständiger eine Dokumentation des aktuellen Zustandes des Gemeinschaftseigentums durchführen und über diesen Zustand berichten soll.
Diese Dokumentation könnte dann allen Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt werden.
Auf diese Art und Weise können sich die Wohnungseigentümer ein Bild von dem tatsächlichen Zustand der Anlage machen. Im Anschluss daran sollte der Bauträger (sofern das Gemeinschaftseigentum tatsächlich im Wesentlichen mangelfrei und abnahmefähig ist) die jeweiligen Erwerber dazu auffordern, die Abnahmeerklärung abzugeben. Es ist zu erwarten, dass zumindest ein großer Teil der Wohnungseigentümer auch mit Hinblick auf die dann vorliegende Dokumentation die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erklären wird. Eine solche Abnahmeerklärung wäre dann wirksam. Hinsichtlich derjenigen Wohnungseigentümer, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Abnahme erklären, sollte der Bauträger dann unter Fristsetzung zunächst außergerichtlich und im Notfall auch gerichtlich vorgehen und die Erklärung der Abnahme gerichtlich einfordern. Das setzt voraus, dass die Anlage hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums tatsächlich im Wesentlichen mangelfrei ist und somit abnahmefähig. In diesem Fall besteht ein Anspruch des Bauträgers auf Abnahme gegenüber dem jeweiligen Erwerber. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach ist der Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen.
Auf diese Art und Weise kann der Bauträger im Ergebnis die individuelle Abnahmeerklärung jedes einzelnen Erwerbers erreichen und ist davor geschützt, dass noch Jahrzehnte nach der Übergabe einer einzelnen Wohnung Mängelansprüche ihm gegenüber geltend gemacht werden.
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