News | Newsletter | Neues zum Baurecht 02/2016
Keine Überbürdung des „Baugrundrisikos“ auf den AG!
BGH, Urteil vom 28.01.2016 – I ZR 60/14
Die Risikozuweisung der Bodenverhältnisse auf den Besteller kann in den AGB nicht beliebig ausgeweitet werden.
Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) einen Ofen und zwei Stahlkonstruktionen mit einem Kran auszuheben, zum Mainufer zu transportieren und dort auf ein Binnenschiff zu heben. Die vom AN verwendeten AGB sehen u. a. eine Verantwortlichkeit des AG für die Eignung der Bodenverhältnisse für den vereinbarten Kraneinsatz vor. Zudem wird der AG verpflichtet, auf die Lage und das Vorhandensein von unterirdischen Hohlräumen am Einsatzort unaufgefordert hinzuweisen. Versäumt der AG diesen Hinweis schuldhaft, haftet er für alle daraus entstehenden Schäden. Bei Ausführung brach der Kran mit dem Fuß in einen Kabelschacht ein, der nur mit einer dünnen Betonfläche überdeckt war. Der Kabelschacht war zuvor während der Abbrucharbeiten unmittelbar neben der Einbruchstelle bereits eingestürzt und mit Recyclingmaterial befüllt worden, um ein Befahren mit Fahrzeugen zu ermöglichen. Der Kran wurde schwer beschädigt, der Kranführer leicht verletzt. Der AN nimmt den AG auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG wies die Klage ab, das Berufungsgericht sprach die Klageforderung zur Hälfte zu. Dagegen legte der AG Revision ein.
Mit Erfolg! Der BGH stuft das fragliche Rechtsgeschäft als Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB ein, weil die Verpflichtung des AN sich nicht nur in der Überlassung eines Krans erschöpft, sondern in dem Arbeitserfolg zu sehen ist. Die Schadensersatzpflicht des AG aus den zugrundeliegenden AGB scheitert an deren rechtlichen Unwirksamkeit gemäß § 307 Abs. 1 BGB. Die AGB verlagern das Risiko des Kranunternehmers infolge typischerweise durch den Kraneinsatz verursachter Mehrbelastungen des Bodens auf den AG. Sie weichen daher von der in §§ 645, 644 BGB grundsätzlich geregelten Risikoverteilung ab, wonach der AN die (Vergütungs-) Gefahr bis zur Abnahme trägt. Kommen bei Ausführung durch den AN eingesetzte Geräte zu Schaden, betrifft dies seine Sphäre. Die Prüfung der Tragfähigkeit von Grund und Boden des Standplatzes liegt in seiner Verantwortung (OLG München, TranspR 1996, 312). Zwar kann dem AG die Verantwortlichkeit für die Bodenbeschaffenheit im Verhältnis zu einem von ihm beauftragten, auf einer Baustelle tätigen Unternehmer auferlegt werden. Doch handelt es sich bei dieser Risikozuweisung um eine Ausnahme. Auch die in den AGB statuierte Hinweispflicht benachteiligt den AG unangemessen, weil sie unabhängig von seiner Kenntnis und Einflussmöglichkeit auf die Einsatzstelle gelten soll.
Fazit
Die Entscheidung ist zutreffend, weil der AN durch den Kraneinsatz neue, vom AG nicht beherrschbare Gefahren schafft (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.1978 – VI ZR 150/77). Anders zu beurteilen wäre dies, wenn die AGB lediglich eine Mitwirkungspflicht des AG bei der Auswahl des Krans und der Klärung der Bodenbelastungen sowie der hieraus resultierenden Anforderungen an die Bodenbeschaffenheit vorsähen. Selbiges gilt auch für den Fall, dass die Risikoverlagerung für die Baugrundstabilität durch die AGB des AN von einer vorherigen Abstimmung mit dem AG abhängig gemacht würde. In dieser Konstellation wäre das Risiko für den AG nicht mehr unbeherrschbar und -beeinflussbar. Diese Gefahrminimierung käme zudem bei einem vorhergehenden Einbezug des AG in die Auswahl des Einsatzortes des Kranes in Betracht. In diesen Situationen muss sich der AN jedoch ein schadensersatzverkürzendes Mitverschulden nach § 254 BGB dann entgegenrechnen lassen, wenn er Zweifel an der Tragfähigkeit des Bodens an der Einsatzstelle hätte hegen können und keine Nachfrage stellt.
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