News | Newsletter | Neues zum Baurecht 02/2024
§ 650 f BGB gibt dem Unternehmer Sicherheit
BGH, Urteil vom 18.01.2024 - VII ZR 34/23
Die Rechte des Unternehmers werden durch § 650 f BGB gestärkt, denn diese Regelung gewährt dem Unternehmer einen einklagbaren Anspruch auf Sicherheit für vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 18.01.2024 zur Bemessung des Anspruchs wichtige Grundsätze für den Fall einer Kündigung des Bauvertrags herausgestellt, denn das Recht auf Verlangen einer Sicherheit besteht weiterhin, auch wenn der Unternehmer einen Bauvertrag nach § 650f Abs. 5 BGB kündigt, weil der Besteller seinem berechtigten Verlangen nach einer Sicherheit gem. § 650f BGB nicht nachgekommen ist. Die Höhe des Anspruchs kann sich nach einer Kündigung ändern, denn dann kann der Unternehmer eine Sicherheit nicht mehr bezogen auf die ursprünglich vertraglich vereinbarte Vergütung, sondern nur noch bezogen auf die Vergütung verlangen, die er als Rechtsfolge der wirksam erfolgten außerordentlichen Kündigung geltend macht.
Dem ganzen liegt folgender Sachverhalt zugrunde
Die Auftragnehmerin (im Folgenden AN) begehrte als Klägerin eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB. Im April 2021 schlossen die AN und die Rechtsvorgängerin der Beklagten als Auftraggeber (im Folgenden AG) zuvor einen Generalübernehmervertrag für die schlüsselfertige Errichtung eines Gesundheitscampus mit Kindertagesstätte zu einem Pauschalfestpreis von 9.340.000 € brutto. Auf die erste Abschlagsrechnung über 520.000 € für Planungsleistungen und Projektentwicklung bezahlte die AG nur einen Teilbetrag in Höhe von 270.000 €. Daraufhin verlangte die AN unter Fristsetzung bis zum 9. Juni 2021 eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB in Höhe von 9.977.000 €. Nachdem diese nicht gestellt wurde, kündigte die AN am 10. Juni 2021 den Generalübernehmervertrag aus wichtigem Grund. Daraufhin erklärte die AG ihrerseits die fristlose Kündigung des Generalübernehmervertrags und begründete diese unter anderem mit der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Kündigungsmöglichkeit nach § 650f BGB. Die AN klagte dann auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von 5% der geforderten Ursprungssumme, insgesamt 498.850 € . Das Landgericht gibt dieser Klage in Höhe von 216.700 € statt. Die Berufung der AG hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die AG weiterhin die Klageabweisung.
Nur teilweise mit Erfolg!
Die AN hat dem Grunde nach einen Anspruch gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB darauf, dass die AG ihr eine Bauhandwerkersicherung für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen stellt.
Der BGH hat klargestellt, dass der Anspruch der AN auf eine Bauhandwerkersicherung nicht daran scheitert, dass der Bauvertrag gekündigt ist. Die AN hatte den Generalübernehmervertrag wirksam außerordentlich gekündigt, weil die AG ihrem Sicherungsverlangen nicht fristgerecht entsprochen hatte. Der Anspruch auf Gestellung einer Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB ist nach Kündigung nur der Höhe, aber nicht dem Grunde nach, zu modifizieren. Die vorzeitige Beendigung eines Bauvertrags lässt das Sicherungsbedürfnis des Unternehmers nicht entfallen, weil dessen Anspruch auf die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung weiterhin der Sicherheit bedarf. Allerdings muss der Unternehmer dann die Höhe des Sicherheitsverlangens seinem ihm nach der Kündigung verbleibenden Vergütungsanspruch anpassen. Als Folge der wirksamen Kündigung der AN bestimmt sich die Höhe des sicherbaren Anspruchs gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB. Danach kann der Unternehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erspart oder böswillig zu erwerben unterlässt. Haben die Vertragsparteien wie vorliegend einen Pauschalpreisvertrag geschlossen, bestimmt sich die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zum Wert der vereinbarten Gesamtleistung. Der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen.
Im vorliegenden Fall war eine derartige Aufstellung sogar entbehrlich, weil die AN bezogen auf die erbrachten Leistungen nicht die darauf entfallende volle Vergütung, sondern lediglich einen fünfprozentigen Anteil geltend machte. Der AG erwächst kein Nachteil, wenn die AN mit ihrer Forderung hinter dem zurückbleibt, was sie als Vergütung für erbrachte Leistungen tatsächlich fordern könnte. Der Unternehmer kann sein Sicherungsverlangen auf einen Teilbetrag beschränken. Die AN machte als Teil des Sicherungsverlangens für erbrachte Leistungen lediglich die kündigungsbedingte Vergütung in der Höhe geltend, welche sie beanspruchen könnte, wenn sie keinerlei Leistungen erbracht hätte. Eine solche Vergütung steht ihr ausgehend von der Vermutungsregelung des § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB in jedem Fall zu.
Der Höhe nach war der Anspruch hingegen zu korrigieren, weil das Berufungsgericht zu Unrecht unberücksichtigt gelassen hatte, dass der Unternehmer auf den Teil der Vergütung, der für noch nicht erbrachte Leistungen geltend gemacht wird, keine Umsatzsteuer berechnen darf. Dies hatte zur Folge, dass die AN nur eine Sicherheit für die geschuldete Nettovergütung beanspruchen konnte.
Fazit
650 f BGB bietet dem Unternehmer sowohl in einem bestehenden als auch in einem gekündigten Bauvertrag ein gutes Mittel, um seine Rechte rund um die Vergütungsansprüche besser durchsetzen zu können. Insbesondere dann, wenn Streitigkeiten rund um die Zahlungen auftreten, gibt diese Vorschrift dem Unternehmer die Möglichkeit, sich bei Nichtstellung innerhalb der gesetzten Frist vom Vertrag zu lösen. Das Recht auf Erhalt einer Sicherheit – in Höhe des dann verbleibenden Vergütungsanspruchs – bleibt zudem weiterhin bestehen.
Autor
Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.
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