News | Newsletter | Neues zum Baurecht 02/2018
Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann Haftung für Mängel auf 30 Jahre verlängern!
Rügt der Auftraggeber kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist Mängel und verzichtet der Auftragnehmer auf die Erhebung der Einrede der Verjährung, ohne diesen Verzicht zeitlich zu begrenzen, verjähren etwaige Mängelansprüche des Auftraggebers in 30 Jahren.
OLG Celle, Urteil vom 15.06.2017 – 6 U 2/17
Die Klägerin (Auftraggeber) hat die Beklagte (Bauunternehmen) im Februar 1995 mit der Errichtung einer Seniorenresidenz unter Einbeziehung der VOB/B und der Vereinbarung einer fünfjährigen Mängelgewährleistung beauftragt. Die Abnahme des Werkes fand im Dezember 1997/Januar 1998 statt.
Nach dem Bau der Seniorenresidenz kam es zu starken Rissen an der Beschichtung des Wärmedämmverbundsystems (WDVS). Kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist hat die Beklagte gegenüber der Klägerin erklärt, sie „verzichte bezüglich der Mängel an der Außenhaut des Wärmedämmverbundsystems bis zu deren endgültiger Abstellung auf die Einrede der Verjährung“. Eine zeitliche Begrenzung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung enthielt die Erklärung der Beklagten nicht.
Erst einige Zeit später verlangte die Klägerin als Vorschuss für die Mängelbeseitigung einen Betrag in Höhe von EUR 440.000,00 von der Beklagten. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung – ohne Erfolg! Die Beklagte muss die Aufwendungen der Mängelbeseitigung in Bezug auf die Mängel des WDVS an die Klägerin zahlen. Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 21.11.2002 die dreißigjährige Verjährungsfrist gemäß §§ 202 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB in Gang gesetzt.
Fazit
Das Oberlandesgericht Celle führt mit seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 18.09.2007 – XI ZR 447/06) konsequent fort, wonach ein ohne Bestimmung eines Endzeitpunktes erklärter Verjährungsverzicht regelmäßig dahingehend zu verstehen ist, dass er innerhalb der Grenze des § 202 Abs. 2 BGB dreißig Jahre ab dem eigentlichen Beginn der Verjährungsfrist seine Wirkung entfalten soll.
Der Einredeverzicht ist ein sowohl von Auftragnehmern als auch von Auftraggebern genutztes probates Mittel, um sich mehr Zeit für die Klärung der geltend gemachten Forderungen zu verschaffen. Ohne den Einredeverzicht wäre der Inhaber des Anspruchs gehalten, ein Gerichtsverfahren zur Hemmung der Verjährung einzuleiten.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle zeigt jedoch, dass die Formulierung eines Einredeverzichts mit höchster Sorgfalt zu wählen ist. Sollte ein Auftraggeber dem Auftragnehmer beispielsweise lediglich ein Formular für einen Verjährungsverzicht schicken, muss der Auftraggeber in jedem Falle darauf achten, den Verjährungsverzicht zeitlich zu begrenzen – im besten Falle sogar ein genaues Datum wählen. Andernfalls kann ein kalendarisch unbefristeter Einredeverzicht zu einer Vervielfachung der eigentlich vereinbarten Gewährleistungsfrist führen.
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