News | Newsletter | Neues zum Baurecht 01/2017
Keine weitergehenden Gewährleistungsrechte ohne vorherige Fristsetzung zur Nachbesserung
OLG Dresden, Beschluss vom 6.12.2016 – 4 U 1119/16
Stellt der Unternehmer das Werk mangelhaft her, muss der Besteller dem Unternehmer zunächst die Möglichkeit zur Nachbesserung geben. Erst wenn der Unternehmer keine Nachbesserung vornimmt, kann der Besteller die Mängel selbst bzw. durch ein Drittunternehmer beseitigen lassen.
Der Besteller beauftragte einen Zahnarzt mit der Herstellung einer Zahnprothese. Nach der Eingliederung der Zahnprothese beim Besteller stellt sich heraus, dass die Zahnprothese mangelhaft ist, weil sog. Reiterchen nicht stabil genug sind. Ohne den ursprünglichen Zahnarzt zur Mangelbeseitigung aufzufordern, wendet sich der Besteller an einen anderen Zahnarzt und lässt von diesem den Mangel an der Zahnprothese beseitigen. Die Kosten der Mangelbeseitigung verlangt der Besteller vom ursprünglichen Zahnarzt ersetzt. Nachdem der ursprüngliche Zahnarzt eine Übernahme der Mangelbeseitigungskosten verweigert, erhebt der Besteller Zahlungsklage beim Landgericht, das die Klage abweist. Der Besteller erhebt Berufung beim OLG.
Ohne Erfolg! Das OLG weist die Berufung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück, weil sie aus Sicht des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Das OLG stellt zunächst fest, dass es sich bei einem Behandlungsvertrag zwar um einen Dienstleistungsvertrag handelt, weil zahnärztliche Leistungen grundsätzlich Dienste höherer Art sind, mit denen – anders als beim Werkvertrag – kein Erfolg versprochen wird. Das werkvertragliche Gewährleistungsrecht ist jedoch anzuwenden, wenn und soweit Vertragsgegenstand die technische Herstellung einer Prothese ist. Auch wenn das werkvertragliche Gewährleistungsrecht grundsätzlich eine Ersatzvornahme durch einen Dritten ermöglicht, stehen dem Besteller keine Gewährleistungs- und Ersatzansprüche gleich aus welcher Rechtsgrundlage zu, d. h. auch keine Schadensersatzansprüche, weil er dem ursprünglichen Zahnarzt keine Frist zur Nachbesserung gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB bzw. §§ 634 Nr. 4, 636, 281 Abs. 1 BGB gesetzt hat. Eine solche Fristsetzung war nicht entbehrlich, weil der ursprüngliche Zahnarzt die Mangelbeseitigung nicht ernsthaft und endgültig verweigert hat. Die Nachbesserung durch den ursprünglichen Zahnarzt war für den Besteller auch nicht unzumutbar. Denn die Erneuerung sei nach den sachverständigen Feststellung ein relativ kleiner Eingriff. Darüber hinaus habe der ursprüngliche Zahnarzt die ärztlichen Leistungen für die Eingliederung ordnungsgemäß erbracht.
Fazit:
Auch im Werkvertragsrecht gilt der Grundsatz, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind (pacta sunt servanda). Aus diesem Grundsatz leitet sich nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht des Unternehmers ab, aufgetretene Mängel selbst zu beseitigen. Erst wenn und soweit der Unternehmer die Mängel nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist nicht beseitigt, hat der Besteller das Recht, die Mängel des Unternehmers auf dessen Kosten durch ein Drittunternehmen beseitigen zu lassen. Für die Durchsetzung von Ansprüchen auf Kostenerstattung für eine solche Ersatzvornahme ist daher die Mangelbeseitigungsaufforderung unter Fristsetzung an den Unternehmer eine ganz wesentliche Voraussetzung. Lässt der Besteller die Mängel ohne eine solche Mangelbeseitigungsaufforderung durch ein Drittunternehmen beseitigen, verliert er sämtliche Gewährleistungsansprüche und trägt die Kosten für die Mangelbeseitigung selbst.
Weitere Artikel dieser Ausgabe
-
Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.: Keine Arglist, wenn Mangel nicht als solcher wahrgenommen wird
-
Auftragnehmer meldet Bedenken an: Der untätig bleibende Auftraggeber hat für die sich daraus ergebenden Folgen einzustehen
-
Anm. zu BGH, Urteil vom 22.09.2016 - VII ZR 298/14
-
Bauablaufbezogene Darstellung für Entschädigung nach § 642 BGB nicht per se erforderlich!
-
Prof. Dr. Ralf Leinemann: Eingereichtes Datenblatt definiert das angebotene Produkt
-
Keine Vertragsstrafe ohne Mahnung bei Bauablaufstörungen aus dem Verantwortungsbereich des AG
-
Bauvertrag nach BGB: Keine Mängelrechte vor Abnahme!