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Keine Vertragsstrafe ohne Mahnung bei Bauablaufstörungen aus dem Verantwortungsbereich des AG

OLG Celle, Urteil vom 26.10.2016 – 7 U 27/16

Treten während der Bauausführung Behinderungen aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers auf oder beauftragt er umfangreiche Nachtragsleistungen, verschiebt sich der vertraglich vereinbarte Fertigstellungstermin, sofern diese Umstände auf dem sog. kritischen Weg liegen. Dies hat zur Folge, dass die Vertragsstrafe insgesamt hinfällig wird oder ein Verzug des Auftragnehmers ohne vorherige Mahnung des Auftraggebers nicht eintritt.

Die Beklagte beauftragte als Generalunternehmerin die Klägerin mit Rohbauarbeiten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin die Rohbauarbeiten nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Fristen erbringen und den Fertigstellungstermin nicht einhalten konnte, weil u.a. Vorleistungen von Drittunternehmern nicht rechtzeitig fertiggestellt waren. Die Leistungen konnten erst vier Wochen nach dem vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin fertiggestellt werden. Nach Abnahme der Leistungen rechnet die Klägerin ihre Leistungen ab. Gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin rechnet die Beklagte mit einem Vertragsstrafenanspruch auf. Das Landgericht spricht der Klägerin die Vergütung zu und lässt die Aufrechnung der Beklagten nicht durchgreifen. Gegen diese Entscheidung geht die Beklagte in Berufung.

Ohne Erfolg! Das OLG weist die Berufung zurück. Die Aufrechnung der Beklagten gehe ins Leere, weil die Vertragsstrafe seitens der Klägerin nicht verwirkt worden sei. Denn durch die Überschreitung des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins sei die Klägerin nicht automatisch in Verzug geraten. Durch verschiedene Störungen aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten sei der Fertigstellungstermin hinfällig geworden. Ob damit auch die Vertragsstrafe insgesamt hinfällig geworden ist, weil der Zeitplan vollständig umgeworfen wurde, entscheidet das OLG nicht. Jedenfalls habe sich der Fertigstellungstermin nach hinten verschoben. Selbst wenn die Klägerin diesen neuen Fertigstellungstermin nicht eingehalten hätte, wäre sie mit dessen Überschreitung nicht automatisch ohne eine Mahnung der Beklagten in Verzug geraten. Eine solche Mahnung habe die Beklagte jedoch nicht ausgesprochen, sodass die Klägerin nicht in Verzug geraten und die Vertragsstrafe daher auch nicht verwirkt worden sei.

Fazit:

Vereinbaren die Parteien einen Fertigstellungstermin und kann der Auftragnehmer diesen nicht einhalten, ohne dass hierfür Umstände aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers verantwortlich wären, gerät der Auftragnehmer mit Überschreitung des Termins automatisch in Verzug. Eine Mahnung des Auftraggebers ist gemäß § 286 Abs. 2 BGB nicht erforderlich, weil der Fertigstellungstermin sich nach dem Kalender bestimmt oder bestimmen lässt. Eine solche kalendermäßig bestimmbare Frist liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn sich der Fertigstellungstermin wegen Umständen aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers verschiebt. Für den Verzugseintritt ist in diesem Fall eine Mahnung des Auftraggebers erforderlich. Soll eine vertraglich vorgesehene Vertragsstrafe auch bei Bauverzögerungen aufrechterhalten werden, muss der Auftraggeber einen neuen Fertigstellungstermin mit dem Auftragnehmer vereinbaren; eine einseitige Festlegung ist nicht möglich. Abhängig von der vertraglichen Gestaltung der Vertragsstrafe muss zudem auch deren Gültigkeit für den neuen Fertigstellungstermin ggf. neu vereinbart werden.

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