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Bauvertrag nach BGB: Keine Mängelrechte vor Abnahme!

BGH, Urt. v. 19.01.2017 – VII ZR 301/13

  1. Der Besteller kann Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werkes mit Erfolg geltend machen.
  2. Der Besteller kann berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-) Erfüllung des Vertrages verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergangen ist. Allein das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme genügt dafür nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis dagegen, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen.

Der später verstorbene Schwiegersohn des Klägers hatte den Beklagten im Jahr 2008 mit Fassadenarbeiten an zwei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden beauftragt. Nach Fertigstellung verweigerte der Besteller die Abnahme mit der Begründung, dass zum Anstrich verwendete Material entspreche nicht den vertraglichen Anforderungen. Anfang September 2009 rügte der Besteller Mängel an den Objekten und setzte eine Frist zur Mangelbeseitigung bis Ende des Monats. Ein selbständiges Beweisverfahren bestätigte den erhobenen Vorwurf. Das Landgericht und das Oberlandesgericht gaben der Klage auf Zahlung eines Vorschusses auf die Kosten der Mängelbeseitigung statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht mit der Begründung zurück, die Ausführungen hielten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand soweit das Berufungsgericht ausgeführt hatte, ein Anspruch auf Vorschuss aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB bestehe bereits vor der Abnahme.

Der BGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werkes mit Erfolg geltend machen kann. Zur Begründung führt der BGH an, dass sich grundsätzlich im Zeitpunkt der Abnahme beurteilt, ob ein Werk mangelfrei ist. Bis zur Abnahme kann der Unternehmer grundsätzlich frei wählen, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 BGB erfüllt. Könnte der Besteller bereits während der Herstellungsphase Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen, kann das – so der BGH – mit einem Eingriff in diese Rechte des Unternehmers verbunden sein. Allerdings stehen dem Besteller in der Herstellungsphase Erfüllungsansprüche und Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zur Verfügung, die unter Umständen schon vor Fälligkeit bestehen können. Nach Ansicht des BGH können aber der Herstellungsprozess und der Nacherfüllungsanspruch nicht nebeneinander bestehen. Im Ergebnis muss sich somit der Besteller entscheiden, ob er die Rechte aus dem Erfüllungsstadium oder aber die grundsätzlich eine Abnahme voraussetzenden Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen will. Ein faktischer Zwang des Bestellers zur Erklärung der Abnahme für ein objektiv nicht abnahmefähiges Werk besteht nach Ansicht des BGH hierdurch nicht. Zudem kann der Besteller – worauf der BGH ausdrücklich hinweist – die Abnahme unter Mängelvorbehalt erklären.

Fazit:

Vor der Abnahme kann der Besteller nach allgemeinen Regeln die mangelfreie Herstellung des Werkes und nach Maßgabe von § 280 und § 281 BGB Schadensersatz verlangen. Gewährleistungsrechte darf er nur dann geltend machen, wenn der Vertrag in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Letzteres setzt voraus, dass der Besteller nur noch Schadensersatz statt der Leistung oder Minderung des Werklohns verlangt. Das bloße Verlangen eines Vorschusses auf die Kosten der Mängelbeseitigung reicht dafür nicht aus. Hat der Besteller also die Abnahme des Werkes wegen wesentlicher Mängel verweigert und will er wegen dieser Mängel einen Kostenvorschuss nach §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, Abs. 3 BGB durchsetzen, muss er künftig eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er weitere Arbeiten des Unternehmers am Werk unter keinen Umständen mehr zulassen wird. Als eindeutig wäre die Kündigung des Vertrages zu bewerten.

Soweit sich aus den Entscheidungen des BGH vom 11.10.2012 (VII ZR 179/11 und VII ZR 180/11) etwas anderes ergeben könnte, hält der Senat daran folglich nicht mehr fest.

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