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Auftragnehmer meldet Bedenken an: Der untätig bleibende Auftraggeber hat für die sich daraus ergebenden Folgen einzustehen

OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.11.2016 – 10 U 71/16

Ein Aufragnehmer ist auch dann von der Mängelhaftung befreit, wenn er ordnungsgemäß gem. § 4 Abs. 3 VOB/B Bedenken mitteilt, aber der Auftraggeber untätig bleibt und darauf nicht reagiert.

Die Auftragnehmerin (Klägerin) wurde unter Einbeziehung der VOB/B mit der Erbringung von Bodenbelagsarbeiten bei der Sanierung eines Schulgebäudes beauftragt. Vor Ausführung der Arbeiten durch die Klägerin wurde durch ein Fachunternehmen vor Ort eine Haftungsprüfung vorgenommen, weil auf alte Spachtelmassen aufgebaut werden sollte. Diese Haftungsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die Haftzugswerte bei den angelegten Probeflächen in Ordnung seien. Mit Schreiben vom selben Tag meldete die Klägerin gegenüber der Auftraggeberin Bedenken wegen der alten Spachtelmasseschichten an. Die Auftragnehmerin befürchtete Abplatzungen der Spachtelmasse und dadurch Ablösungen des zu verlegenden PVC-Belages, da die vorgefundenen alten Kleb- und übrigen Hilfsstoffe noch auf chemischer Basis mit Lösemitteln hergestellt wurden, während heutzutage eine Herstellung auf Wasserbasis erfolgt. Wegen diesen Umständen stehe es zu befürchten, dass es zu Abplatzungen der auf den Sulfitablagematerialien anhaftenden Spachtelmasse komme, wofür die Klägerin keine Gewährleistung übernehme. Auf diese Bedenkenmitteilung nach § 4 Abs. 3 VOB/B reagierte die Auftraggeberin nicht. Die Klägerin führte die Leistungen aus diesem Grunde wie von der Beklagten ausgeschrieben durch und das Werk wurde abgenommen. In der Folgezeit zeigten sich an dem Werk sodann Belagablösungen, sowie Beulen- und Blasenbildungen.

Das OLG Stuttgart stellt in seinem Beschluss fest, dass das von der Klägerin erbrachte Werk mangelhaft ist, sie für diesen Mangel jedoch nicht einzustehen hat, da sie gegenüber der Auftraggeberin schriftlich ihre Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung angemeldet und damit ihrer Verpflichtung aus § 4 Abs. 3 VOB/B genügt hat.

Ein Unternehmer haftet grundsätzlich auch dann für einen Mangel der von ihm hergestellten Leistung, wenn die Ursache hierfür im Verantwortungsbereich des Auftraggebers oder eines Vorunternehmers liegt. Dies gilt gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B jedoch dann nicht, wenn der Auftragnehmer die ihm nach § 4 Abs. 3 VOB/B obliegende Bedenkenmitteilung unverzüglich und schriftlich gegenüber dem Auftraggeber gemacht hat. Die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht ist ein Tatbestand, der den Unternehmer von der Sach- oder Rechtsmängelhaftung gegenüber dem Auftraggeber befreit. Einer Haftungsbefreiung des Auftragnehmers steht es nicht entgegen, wenn der Auftraggeber seiner vertraglichen Pflicht, nach der Bedenkenmitteilung eine Entscheidung zu treffen, nicht nachgekommen und gegenüber dem Auftragnehmer gänzlich untätig geblieben ist. Auch der untätig bleibende Auftraggeber hat für die sich daraus ergebenden Folgen einzustehen.

Fazit:

Aus den grundsätzlichen Feststellungen des OLG Stuttgart folgt für den Auftraggeber, der sich mit einer Bedenkenmitteilung des Auftragnehmers konfrontiert sieht, dass er tunlichst auf diese reagieren und nicht den „toten Käfer“ spielen sollte. Es liegt gerade auch im Interesse des Auftraggebers auf eine solche Mitteilung des Auftragnehmers zu reagieren um durch etwaige Änderungsanordnungen die Möglichkeit zu schaffen am Ende ein mangelfreies Werk zu erhalten.

Vor diesem Hintergrund sollte sich der Auftraggeber vor Augen halten, dass die Bedenkenmitteilung seitens seines Auftragnehmers eine Warnfunktion erfüllt, die ihm Anlass dazu geben sollte, eine Entscheidung über den weiteren Fortgang des Bauvorhabens unter einer erneuten Risikoabwägung zu treffen. Durch ein gedankenloses Übergehen oder Dahinstehenlassen einer Bedenkenmitteilung des Auftragnehmers setzt sich der Auftraggeber nicht zuletzt einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung aus, was stets bedacht werden sollte.

Ferner ist eine von dem Auftraggeber nicht beachtete Bedenkenanzeige, die diesem verdeutlicht, dass die gewünschte Ausführung des Bauvorhabens nicht zum Erfolg führen wird, als eine Vereinbarung dahingehend zu verstehen, dass die Funktionalität des Werkes vom Auftragnehmer nicht mehr geschuldet wird.

Keine andere Beurteilung ergibt sich aus der Konstellation, das der Auftraggeber nach Abwägung der von dem Auftragnehmer mitgeteilten Bedenken das Risiko eines Schadens als sehr gering einschätzt und an der ursprünglichen Ausführungsplanung gegenüber dem Auftragnehmer festhält. Dies entspringt der Risikosphäre des Auftraggebers, weshalb auch in einem solchen Fall eine Mängelhaftung des Auftragnehmers bei Vorliegen der Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Bedenkenmitteilung entfällt.

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