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Mängelansprüche verjährt: Kann der Besteller trotzdem die Werklohnzahlung verweigern?

BGH, Urt. v. 05.11.2015 - VII ZR 144/14

Der Besteller kann wegen eines Mangels der Werkleistung ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Unternehmer nach Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche gemäß § 215 BGB geltend machen, wenn dieser Mangel bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung getreten ist und daher ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht in nicht verjährter Zeit geltend gemacht werden konnte. 

Ein Bauherr beauftragt 2008 einen Unternehmer mit Rohbauarbeiten für einen Neubau. Er erklärt unter Vorbehalt zahlreicher Mängel am 16.10.2008 die Abnahme. Der Unternehmer verlangt restlichen Werklohn über 187.000,00 EUR. Der Bauherr rechnet mit Ersatzvornahmekosten von 5.000,00 EUR auf und verweigert im Übrigen unter Hinweis auf Mängel die Zahlung. Das LG Kleve gab der Klage in Höhe von 179.000,00 EUR mit der Überlegung statt, dass der Bauherr kein Leistungsverweigerungsrecht ausüben, sondern die Aufrechnung mit Vorschussforderungen wegen der Mängel geltend machen wolle. Nach weiterer Beweisaufnahme sprach das OLG Düsseldorf dem Unternehmer EUR 124.000,00 unbedingt und weitere 52.000,00 EUR Zug um Zug gegen Beseitigung genau bezeichneter Mängel zu. Auf den erstmals in der Berufungsinstanz am 11.11.2013 und damit nach Ablauf der 5-jährigen Mängelverjährungsfrist am 16.10.2013 geltend gemachten Mangel „Wölbung des Pflasters“ kommt es nach Ansicht des OLG Düsseldorfs wegen Verjährung nicht an. Der Bauherr könne deswegen kein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen.
Dem erteilt der BGH eine Absage!

Nach der Entscheidung des BGH ist es nicht erforderlich, dass der Bauherr bereits vor Eintritt der Verjährung seiner Mängelansprüche ein Leistungsverweigerungsrecht, gestützt auf diesen Mangel, geltend gemacht hat. Der ab dem 01.01.2002 geltende § 215 BGB bestimmt, dass die Verjährung die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte. Der Regelung liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Schuldner, dem ein Gegenanspruch zusteht, kraft dessen er die Inanspruchnahme durch den Gläubiger erfolgreich abwehren kann, sich als hinreichend gesichert ansehen darf und durch die Verjährungsregeln nicht zur frühzeitigen Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung gedrängt werden soll. Nicht erforderlich ist, dass der Bauherr bereits vor Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche ein diesbezügliches Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht hat (anders OLG Schleswig, BauR 2012, 815, 821 f.). Das Gesetz – so der BGH –setzt nun voraus, dass der Mangel, auf den das Leistungsverweigerungsrecht gestützt wird, bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist der Mängelansprüche in Erscheinung trat und daher vor Ablauf der Verjährungsfrist ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht werden konnte.

Fazit

Aus dem Urteil des BGH ergeben sich weitreichende Konsequenzen für den Unternehmer in einem von ihm angestrebten Werklohnprozess. Der Werklohnanspruch des Unternehmers verjährt gemäß § 195 BGB bereits innerhalb von 3 Jahren. Klagt der Unternehmer diesen ein, muss er damit rechnen, dass der Besteller noch im Laufe des Prozesses neue Mängel und hierauf gestützt ein Leistungsverweigerungsrecht „nachschieben“ kann. Ein solcher Einwand des Bestellers droht nun sogar noch lange nach Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche, wenn der Mangel vor deren Ablauf – was der Besteller im Prozess beweisen muss – in Erscheinung getreten ist. Aus Sicht des Bestellers kann es sich daher lohnen, das Werk vor Ablauf der Verjährungsfrist noch einmal eingehend auf Mängel zu untersuchen.

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