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Leistung rügelos abgenommen: Auftragnehmer muss Mängelbeseitigungskosten nicht ersetzen!

OLG Schleswig, Urt. v. 18.12.2015 - 1 U 125/14

Nimmt der Auftraggeber ein mangelhaftes Werk trotz Kenntnis des Mangels ab, ohne sich seine Mängelansprüche vorzubehalten, steht ihm nur noch der Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens zu. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen der Mängelbeseitigungskosten ist ausgeschlossen. So hat es das OLG Schleswig am 18.12.2015 (1 U 125/14) entschieden und entfacht damit die Diskussion um die Reichweite der Ausschlusswirkung des § 640 Abs. 2 BGB neu. 

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit der Errichtung einer Doppelhaus-hälfte. Entgegen der Baubeschreibung stellte der Auftragnehmer das Objekt ohne Rollläden im Obergeschoss her. Das Fehlen der Rollläden im Obergeschoss rügte der AG erst fünf Monate nach vorbehaltloser Abnahme. Der AN verweigerte das Nachrüsten der Rollläden. Daraufhin verklagte der AG den AN u.a. auf Vorschuss der für das Nachrüsten der Rollläden anfallenden Ersatzvornahmekosten.

Das OLG Schleswig gelangt zwar zu der Ansicht, dass der AN nach dem zwischen den Parteien ge-schlossenen Vertrag auch den Einbau der Rollläden im Obergeschoss schulde, das Werk ohne die Rollläden also mangelbehaftet sei. Der AG könne seinen Kostenvorschussanspruch wegen des Mangels jedoch nach § 640 Abs. 2 BGB nicht durchsetzen. Nach dieser Vorschrift stünden dem Besteller die Mängelansprüche nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB nur zu, wenn sich diese bei Abnahme vorbehalten würden. Die Vorschrift räume dem AN insoweit eine Einrede ein, auf welche sich dieser im konkreten Fall auch berufen habe. Auch könne der AG keinen Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB geltend machen. Nehme der AG das Werk in Kenntnis eines Mangels ab, sei ihm also nicht nur die Geltendmachung der Mängelrechte nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB, sondern auch die des Schadensersatzanspruches nach § 634 Nr. 4 BGB versagt.

Der klageweise geltend gemachte Zahlungsanspruch des AGs scheitere also insgesamt an seiner Kenntnis von dem Mangel im Zeitpunkt der vorbehaltlosen Abnahme.


Fazit

Die Entscheidung des OLG Schleswig gibt Anlass, an die Vorschrift des § 640 Abs. 2 BGB zu erinnern. Diese Vorschrift besagt, dass dem AG die Rechte auf Nacherfüllung, Ersatzvornahme, Rücktritt oder Minderung bei vorbehaltloser Abnahme trotz Kenntnis des Mangels nicht mehr zustehen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst wird jedoch das Recht des AG, Schadensersatz oder Ersatz der vergeblichen Aufwendungen zu verlangen. Die herrschende Meinung in der Rechtsliteratur gesteht dem AG deshalb trotz vorbehaltloser Abnahme in Kenntnis eines Mangels weiterhin einen durchsetzbaren Anspruch auf Schadensersatz oder Ersatz der vergeblichen Aufwendungen zu. Für den AN besteht bei vorbehaltloser Abnahme also noch längst kein Anlass zur Freude. Vielmehr sieht er sich seines Nacherfüllungsrechts beraubt und darüber hinaus ipso iure äquivalenten Ansprüchen ausgesetzt. 


Das OLG Schleswig hat sich nunmehr den Vertretern der Gegenmeinung angeschlossen und argu-mentiert u.a. mit einem widersprüchlichen Verhalten des AG, der einerseits das Werk trotz ihm bekannter Mängel vorbehaltlos abnehme, andererseits jedoch später Mittel ersetzt haben möchte, um den Mangel zu beseitigen. Vor allem jedoch - und das ist wohl das stärkste Argument der Vertreter der Mindermeinung - sei es nicht hinnehmbar, dass dem AG, der ein Werk trotz bekannter Mängel vorbehaltlos abnehme, zugestanden würde, einen Schadensersatzanspruch durchsetzen zu können, ohne vorherige Fristsetzung zur Mängelbeseitigung dessen Voraussetzungen schaffen zu müssen. 
Dieser Konflikt wird nach der herrschenden Meinung dadurch gelöst, dass der Verlust der Mängel-rechte nur dann eintritt, wenn sich der AN auf den Rechtsverlust des AG wegen der vorbehaltlosen Abnahme berufe. Dies würde er nur dann tun, wenn er zuvor unter Frist zur Mängelbeseitigung aufgefordert sei. Letztlich könne der AG Schadensersatz also nur dann verlangen, wenn er zuvor eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt habe.

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht aus. Das Ergebnis ist offen. Auf der einen Seite steht der Gesetzeswortlaut mit dem dahinter stehende Willen des Gesetzgebers. Auf der anderen Seite ist genau dieser Gesetzeswortlaut nicht bis ins Letzte durchdacht. Gerade im Werkvertragsrecht wird es kaum eine Fallgestaltung geben, in welcher die Differenzierung zwischen verschuldensunabhängigen (§ 634 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB) und verschuldensabhängigen (§ 634 Nr. 4 BGB) Ansprüchen dem AN tatsächlich zugutekommt. Dies deshalb, weil den AN hinsichtlich des Mangels regelmäßig ein Verschulden treffen wird.

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