News | Newsletter | Neues zum Baurecht 01/2016
Gilt die Formel „schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ in jedem Fall?
OLG Brandenburg, Urteil vom 25.11.2015 - 4 U 7/14
Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) im Rahmen der Sanierung eines Laborgebäudes, welches während der Sanierungsarbeiten im Betrieb bleiben soll, mit Abbrucharbeiten auf dem Dach. Die Festigkeit des abzubrechenden Betons ist im Leistungsverzeichnis (LV) mit „BK 12,5“ angegeben. Der AN plant den Abbruch mit einem Minibagger durchzuführen. Er bietet die Leistungen zum Positionspreis von EUR 4,78 beziehungsweise EUR 5,42 an. Dieser Preis wird vereinbart. Bei Ausführung stellt sich heraus, dass der Beton eine deutlich höhere Festigkeit von „BK 25“ aufweist. Außerdem befinden sich auf dem Dach dem AN unbekannte Hindernisse. Der Betonabbruch muss als Handabbruch erfolgen. Der AN bietet diese Leistungen zum Einheitspreis (EP) von EUR 122,64 beziehungsweise EUR 151,47 an. Er erklärt später sich irrtümlich verkalkuliert zu haben. Der AG lehnt das Nachtragsangebot als zu hoch ab, wünscht aber, dass der AN mit den Arbeiten fortfährt. Der AN erbringt die Leistungen und rechnet den neuen EP ab. Der AG kürzt diesen auf den Angebotspreis zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 100 % des Angebotspreises. Eine darüber hinausgehende Vergütung lehnt er ab.
Sowohl nach dem LG als auch dem OLG zu Recht. Der neue Preis richte sich nach den vertraglichen Preisermittlungsgrundlagen/der Kalkulation des Auftragnehmers bzw. dem Vertragspreisniveau. Die Fortschreibung könne daher nur auf der Grundlage des Angebotspreises erfolgen. Der AN könne nicht die übliche Vergütung verlangen. Auch wenn er sich verkalkuliert habe, sei er an seine Ausgangspreise gebunden. Das OLG wendet insofern die Korbion´sche Formel „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ strikt an. Dabei beruft sich das Gericht auf ein eingeholtes Gutachten, welches die Verdopplung des angebotenen Einheitspreises als angemessen betrachtet. Auch wenn bestimmte Hindernisse im Ausschreibungstext und Leistungsverzeichnis begrifflich nicht erwähnt seien, hätte der AN diese aus den in der Anlage zur Ausschreibung enthaltenen Plänen als verständiger und sachkundiger potentieller Bieter kennen müssen. Es lägen keine Unklarheiten des Leistungsverzeichnisses gemäß § 7 VOB/A und den Vorgaben zum Aufstellen der Leistungsbeschreibung nach der DIN 18299 (VOB/C) vor. Unklarheiten bzw. Zweifel, die sich aus der Gesamtheit der Ausschreibung für den AN ergaben, hätte er nachgehen und aufklären müssen.
Fazit:
Das Urteil des OLG ist durchaus kritisch zu betrachten, weil es sich nicht mit den Ausnahmen von der Bindung an den alten Preis auseinandersetzt. Dabei gibt es durchaus Ausnahmen vom Grundsatz, dass ausschließlich der Vertragspreis fortzuschreiben ist (Leinemann-Schoofs, VOB/B-Kommentar, 5. Aufl. § 2 Rn. 238f.). Hiermit setzt sich das OLG nicht auseinander. Die Entscheidung zeigt weiter, dass die Oberlandesgerichte die Rechtsprechung des BGH, wonach Unklarheiten in der Ausschreibung nicht schon dann zu Lasten des AN gehen, wenn dieser die Unklarheiten nicht aufgeklärt hat (BGH; Urteil vom 12.09.2013 - VII ZR 227/11; BGH, Urteil vom 13.03.2008 - VII ZR 194/06) nicht berücksichtigen. Die Gerichte tun sich außerdem weiterhin schwer bei der Anpassung des „schlechten Preises“ des AN.
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