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Übersicherung durch Bürgschaften und Abtretung von Erfüllungs- und Mängelansprüchen

OLG Oldenburg, Urt. v. 24.01.2025 – 14 U 59/24

Verfügt der Auftraggeber über eine Vertragserfüllungssicherheit über 10 % und eine Mängelsicherheit über 5 % der Bruttoauftragssumme des Auftragnehmers und lässt der sich darüber hinaus Erfüllungs- und Mängelansprüche des Auftragnehmers gegen seine Nachunternehmer abtreten, sind diese Sicherungsabreden unwirksam. Der Auftraggeber ist in diesem Fall übersichert, auch wenn die Sicherungsabreden für sich genommen wirksam sind. Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich aus einer Gesamtwirkung der in Rede stehenden Vertragsbestimmungen.  

Der Sachverhalt

In einem Generalunternehmervertrag zwischen Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer wurde neben Sicherungsabreden für die Vertragserfüllungs- und Mängelansprüche auch folgende – nicht ganz unübliche – Sicherungsabtretung vereinbart:

„Der AN tritt hiermit seine Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche gegen die Nachunternehmer zur Sicherheit an den AG ab, welcher die Abtretung annimmt. Der AG darf die Abtretung erst offenlegen, wenn der AN mit vertraglichen Leistungen in Verzug ist."

Die Entscheidung

Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass diese Sicherungsabtretung von Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen an den AG gemäß § 307 BGB unwirksam ist. Die Unwirksamkeit ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der vereinbarten Vertragserfüllungs- und Mängelsicherheiten einerseits und der Sicherungsabtretung aller gegen über Nachunternehmern bestehenden Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen andererseits.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs benachteiligen Sicherungsabreden den Auftragnehmer gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen und sind unwirksam, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Die unangemessene Benachteiligung kann sich dabei auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010, VII ZR 7/10; Urteil vom 5. Mai 2011, VII ZR 179/10; Urteil vom 1. Oktober 2014, VII ZR 164/12; Urteil vom 16. Juni 2016, VII ZR 29/13; Urteil vom 16. Juli 2020, VII ZR 159/19).

Ausgehend davon wurde der AN im vorliegenden Fall durch beide Regelungen unangemessen benachteiligt.

Der AN war zum einen verpflichtet, eine Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag in Höhe von 10% und eine Sicherheit für die Mängelbeseitigungs- und Schadensersatzansprüche in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme zu stellen. Die zu stellenden Sicherheiten erreichten damit bereits das von der Rechtsprechung anerkannte "Höchstmaß". Durch die darüber hinaus erfolgten Sicherungsabtretungen erhielt der AG weitere Sicherheiten, die dasselbe Vertragsinteresse absicherten, denn die vertraglichen Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche, die dem AN gegen seine Nachunternehmer zustehen, sind deckungsgleich mit den vertraglichen Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen, die dem AG gegenüber dem AN zustehen.

Die Abstraktheit der Sicherheitsabtretung führt dazu, dass der Nachunternehmer (NU) des AN die Einreden aus der zwischen AG und AN bestehenden Sicherungsabrede nicht entgegenhalten kann. Den zwischen dem AG und dem AN bestehenden Streit darüber, ob der Sicherungsfall - Eintritt des Verzuges - vorliegt, kann der AG daher durch die Sicherungsabtretung einseitig zu seinen Gunsten entscheiden, in dem er die Erfüllung des Vertrages durch die Inanspruchnahme der Nachunternehmer erzwingt. Das Leistungsverweigerungsrecht, das der AN im Verhältnis zum AG hier für sich in Anspruch nimmt, ist dadurch ausgehebelt. Der AN wäre in diesem Fall auf Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der aus der Sicherungsabrede ergebenden Pflichten verwiesen und hätte daher insoweit das Insolvenzrisiko des AG zu tragen. Deshalb trägt auch das Argument nicht, dass eine unangemessene Benachteiligung deshalb nicht vorliege, weil der AN bei eigener Vertragstreue in vollem Umfang die Ansprüche aus den Nachunternehmerverträgen geltend machen könne, weil dann der Sicherungsfall nicht eingetreten sei.

Das OLG Frankfurt (Urteil vom 24. Februar 2023, 21 U 95/21) hatte hierzu im Übrigen anders entschieden und meinte, der AG habe in dem Fall, dass eine Störung des Nachunternehmerverhältnisses auf das Vertragsverhältnis zum Hauptauftraggeber durchschlage, ein berechtigtes Interesse daran, sich einen unmittelbaren Zugriff auf die eingeschalteten Nachunternehmer zu verschaffen. Diese Auffassung teilte das OLG Oldenburg jedoch nicht.

Das vom OLG Frankfurt anerkannte Interesse eines AG an der Sicherungsabtretung sei zwar nachvollziehbar und im Grundsatz auch berechtigt, weil es letztlich auf die Erfüllung des vom AN geschuldeten vertraglichen Leistungssolls gerichtet sei. Die aus der Sicherungsabtretung für den AN einhergehenden Nachteile begründen nach Auffassung des OLG Oldenburg jedoch zumindest in der Gesamtbetrachtung mit den zu leistenden Sicherheiten eine unangemessene Benachteiligung, weil die Verwirklichung des seitens des AN bestehenden Interesses an der Erfüllung des vom AG geschuldeten Leistungssolls dadurch erheblich erschwert wird. Dieser Nachteil wird auch nicht durch andere zu Gunsten des AN wirkende Vertragsgestaltungen ausgeglichen.

Dass dem AN durch die Sicherungsabtretung nicht unmittelbar Liquidität entzogen werde, wie dies im Fall von Sicherheitsleistungen, Einbehalten und Bürgschaften der Fall sei, stand dieser Beurteilung nach Auffassung des OLG Oldenburg nicht entgegen. Dass der Liquiditätsentzug das einzige Kriterium sei, anhand dessen zu beurteilen wäre, ob Sicherungsabreden den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, ist den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und auch des OLG Frankfurt nicht zu entnehmen. Vielmehr ist immer eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 29016, VII ZR 29/13), in die auch die bereits gesetzlich vorgesehenen Sicherheiten wie Leistungsverweigerungsrechte und Aufrechnungsmöglichkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010, VII ZR 7/10) sowie die Übernahme des Insolvenzrisikos (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2016, VII ZR 29/13) einzubeziehen sind.

Fazit

Ob die Sicherungsabreden für die Vertragserfüllungs- und Mängelansprüche des Generalunternehmervertrages für sich betrachtet jeweils wirksam waren, brauchte das OLG Oldenburg vorliegend nicht zu entscheiden. Eine Gesamtbetrachtung beider Klauseln ist auch dann vorzunehmen, wenn bereits eine der beiden Klauseln aus anderen Gründen unwirksam wäre. Denn der Verwender einer Klausel kann sich wegen des Transparenzgebots nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm verwendeten Klausel berufen, damit die andere Klausel Bestand haben kann (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2020, VII ZR 7/10, unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 26. Oktober 1994, VIII ARZ 3/94).

Aufgrund dessen lässt sich nach dieser Entscheidung folgendes wichtiges Fazit ziehen:

Regelmäßig ist eine unangemessene Benachteiligung des AN anzunehmen, wenn die Vertragserfüllungssicherheit 10% und die Gewährleistungssicherheit 5% der Bruttoauftragssumme übersteigen. Eine solche Überschreitung kann sich auch aus dem Zusammenwirken von Vertragserfüllungssicherheit und einer Regelung zur Bezahlung von Abschlagsrechnungen ergeben.

Eine unangemessene Benachteiligung eines AN liegt aber auch dann vor, wenn sich der AG über das "Höchstmaß" der zu stellenden Sicherheiten hinaus die Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche des AN gegen seine Nachunternehmer zur Sicherheit abtreten lässt.

Das sollte in zukünftigen Vertragsgestaltungen unbedingt beachtet werden.

Autor

Dr. Thomas Hildebrandt

Dr. Thomas Hildebrandt

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