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Teilklage auf Vergütungsteil für nichterbrachte Leistungen gemäß § 649 Satz 2 BGB a. F. – Zulässig oder nicht?

BGH, Urteil vom 19.12.2024, VII ZR 130/22

Die Auftraggeberin hatte einen Architektenvertrag über die Erbringung von Grundleistungen der Leistungsphasen 5 bis 7 geschlossen. Bezüglich der Vergütung wurde für die Grundleistungen ein Pauschalpreis vereinbart, der gezahlt werden sollte, sobald alle Grundleistungen der Leistungsphasen 5 bis 9 erbracht worden sind. Sofern nicht alle Stufen beauftragt werden, sollte sich das Honorar ausgehend von dem vereinbarten Pauschalpreis nach den im Vertrag näher bezeichneten Prozensätzen für die Grundleistungen richten. Als Gerichtsstand war im Vertrag Dresden vereinbart.

Der Vertrag wurde durch freie Auftraggeberkündigung vorzeitig beendet. Die Auftragnehmerin erstellte daraufhin eine Schlussrechnung, unterteilt in ein Honorar für erbrachte Leistungen und für nicht erbrachte Leistungen.

Die Architektenfirma hatte ihren Vergütungsanspruch abgetreten. Der neue Forderungsinhaber ist Kläger der Vergütungsforderung.

Vor dem Landgericht Dresden hatte der Kläger eine Klage auf Zahlung der Vergütung für erbrachte Leistungen erhoben. Dieser Rechtsstreit war zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung noch nicht abgeschlossen.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine Teilklage des  Klägers beim Landgericht München II auf Zahlung der Vergütung für nichterbrachte Leistungen. Vorausgegangen war ein entsprechender Mahnbescheid, gegen den die Auftraggeberin Widerspruch erhoben hatte. Die Parteien streiten insoweit über die Zulässigkeit der diesbezüglich erhobenen Klage.

In I. Instanz hatte das Landgericht mit Zwischenurteil die Klage für zulässig erklärt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Auftraggeberin wurde in II. Instanz durch das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

In I. Instanz war das Landgericht der Auffassung, dass die Teilklage zulässig sei, da der Klagantrag ausreichend bestimmt gefasst sei und eine zweifelsfreie Festlegung erfolge, über welche Bestandteile eines Anspruch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ergehen solle, da der gerichtlich geltend gemachte Teilbetrag betragsmäßig festgelegt und auch thematisch begrenzt sei, nämlich auf die Vergütung für die nichterbrachten Leistungen. Somit verfolge der Kläger den entgangenen Gewinn aus einem gekündigten Werkvetrag, der unproblematisch individualisierbar sei. Der Umstand, dass es sich bei dem Vergütungsanspruch um eine saldierte Vergütungsforderung handele, stehe der Zulässigkeit der Teilklage nicht entgegen, da dem Saldierungsmoment ausreichend dadurch Rechnung getragen werde, da der Kläger die Sollpositionen nachvollziehbar der weiteren Teilklage in Dresden zugeordnet habe und dort ein Überschuss hinreichend wahrscheinlich sei.

Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Denn nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist eine Teilklage unzulässig, wenn damit nicht ein abgrenzbarer Teilbetrag aus dem Schlussrechnungssaldo, sondern lediglich einzelne unselbständige Rechnungsposten geltend gemacht werden.

Hat ein Unternehmer vor der freien Kündigung bereits Leistungen erbracht und Voraus- oder Abschlagszahlungen erhalten, ist der Vergütungsanspruch mit der Schlussrechnung dergestalt zu ermitteln, dass von der Gesamtvergütung, die sich aus den Rechnungsposten für erbrachte und gegebenenfalls nicht erbrachte Leistungen ergibt, die Voraus- und Abschlagszahlungen abzuziehen sind. Nur wenn sich danach ein positiver Saldo zugunsten des Unternehmers ergibt, folgt hieraus auch eine entsprechender Vergütungsanspruch. Der Vergütungsanspruch ist also ein einheitlicher Anspruch, der nur als solcher oder als eindeutig individualisierbarer Teilbetrag aus dem Schlussrechnungssaldo geltend gemacht werden kann. Einzelne Rechnungsposten gehören nach Auffassung des Bundesgerichtshof nicht hierzu. Um solche handelt es sich jedoch bei den dem Vergütungsanspruch zugrunde liegenden Rechnungsposten für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen. Diese sind gerade keine selbständigen Forderungen oder Forderungsteile, sondern nur unselbständige Aktivposten einer saldierten Abrechnung. Entsprechend sind nach Auffassung des Bundesgerichtshof auch Voraus- und Abschlagszahlungen lediglich unselbständige Passivposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen des Vertrages bezogen werden können.

Jedoch führt allein diese Tatsache, dass es sich bei dem Vergütungsanspruch gemäß § 649 Satz 2 BGB a. F. um einen einheitlichen Anspruch handelt, noch nicht zur Unzulässigkeit der Teilklage. Denn Einheitlichkeit bedeutet nicht Unteilbarkeit.

Ob ein einheitlicher Anspruch im rechtlichen Sinne teilbar ist, hängt nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs davon ab, ob er ziffernmäßig oder sonstwie abgrenzbar und damit eindeutig individualisierbar ist. Grundsätzlich trifft dies auf den Vergütungsanspruch nach § 649 Satz 2 BGB zu, denn er kann als Zahlungsanspruch ziffernmäßig oder auch anhand anderer Merkmale abgegrenzt werden. ABER: Bei einem im Wege der Saldierung zu ermittelnden Vergütungsanspruch kann eine Teilklage nur auf einen abgrenzbaren und damit eindeutig individualisierbaren Teilbetrag aus dem Saldo gerichtet werden.

Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes kann ein Unternehmer daher nach Gesamtabrechnung des Vergütungsanspruchs im Wege der Teilklage Zahlung eines ziffernmäßig bestimmten Teilbetrages aus dem Schlussrechnungssaldo verlangen, da der Schlussrechnungssaldo eine einheitliche Forderung darstelle, von der ein Teilbetrag ohne weiteres geltend gemacht werden kann. Ebenfalls kann nach Auffassung des Bundesgerichtshofes eine Teilklage auch in der Weise begründet werden, dass der geltend gemachten Teilforderung als Aktivposten lediglich bestimmte Rechnungsposten des Vergütungsanspruch, z. B. die Rechnungsposten für erbrachte Leistungen zugrunde gelegt werden und von der sich hieraus ergebenden Summe alle Voraus- und Abschlagszahlungen abgezogen werden. Der dann verbleibende Saldobetrag ist hinreichend individualisiert und kann Gegenstand einer Teilklage sein.

Beides hatte der Kläger in dem vorliegenden Verfahren nicht getan, sondern mit seiner Teilklage auf Zahlung der Vergütung für nichterbrachte Leistungen lediglich isoliert einzelne Rechnungsposten eines zu saldierenden Vergütungsanspruchs geltend gemacht. Allein die Rechnungsposten für die nichterbrachten Leistungen sind keine  selbständigen Forderungen oder Forderungsteile. Selbständig und daher teilbar ist lediglich der Schlussrechnungssaldo. Demgegenüber sind die einzelnen Rechnungsposten einer Saldoforderung unselbständig. Der Kläger hatte also keinen sich aus einer Gesamtabrechnung ergebenden Teilsaldo, sondern lediglich die Rechnungsposten für nicht erbrachte Leistungen zur Überprüfung durch das Gericht gestellt. Er hatte auch keinen allein aus dem Schlussrechnungssaldo noch offenstehenden Restwerklohn geltend gemacht, sondern parallel den Rechtsstreit vor dem Landgericht Dresden über die – insoweit im Wege der Saldierung ermittelte – Vergütung für erbrachte Leistungen geführt.

Fazit

Eine Teilklage hinsichtlich einer zu saldierenden Forderung, z. B. einer offenen Schlussrechnungsforderung aus einem Werkvertrag, ist grundsätzlich möglich. Voraussetzungen hierfür ist jedoch, dass ein eindeutig individualisierbarer Teilbetrag aus dem Schlussrechnungssaldo, d. h. dem endgültigen Rechnungsbetrag geltend gemacht wird.

Die Geltendmachung einzelner unselbständiger Rechnungsposten, z. B. nur den Teil der erbrachten bzw. nur den Teil der nichterbrachten Leistungen, ohne dass eine entsprechende Saldierung insbesondere mit den erfolgten Vorauszahlungen und/oder Abschlagszahlungen erfolgt ist, ist dagegen unzulässig.

Die vorliegende Entscheidung dürfte auch für § 648 Satz 2 BGB gelten, denn diese Vorschrift ist wortgleich zur alten Fassung des § 649 Satz 2 BGB.

Autor

Andrea Hierl

Andrea Hierl

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