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23.04.2025 Aufhebung eines Schiedsspruchs zur Zahlung von 46 Mio US $ / Rechtliches Gehör

BayObLG, Beschluss vom 02.04.2025 – 102 Sch 39/24 e

Eine Entscheidung, die es wirklich in sich hat:

Das Bayerische Oberste Landesgericht hebt den Schiedsspruch eines dreiköpfigen deutschen Schiedsgerichts auf, mit dem die Antragstellerin zur Zahlung von mehr als 46 Millionen US Dollar verurteilt wurde. Das Schiedsgericht habe den Kernvortrag der Antragstellerin übergangen und deren rechtliches Gehör verletzt. Die Begründung des Schiedsspruchs sei dürftig und widersinnig. Der Schiedsspruch verfehle die Mindestanforderungen, die an eine Begründung zu stellen sind, und verstoße daher gegen den Ordre Public. Es sei naheliegend, dass das Schiedsgericht „die Übersicht verloren habe“.

Im Einzelnen:

Die Antragstellerin (und Schiedsbeklagte) erwarb von den Antragsgegnern (und Schiedsklägern) sämtliche Anteile an der X Aktiengesellschaft. Zusätzlich zum Kaufpreis von 150 Millionen US Dollar sollte die Antragstellerin bis zu drei sogenannte Earn Outs von jeweils bis zu 50 Millionen US Dollar zahlen. Voraussetzung für die Zahlung der Earn Outs war dabei der Eintritt bestimmter Milestone Events, die in der in der Durchführung von klinischen Studien zur Entwicklung neuartiger Krebsmedikamente bestanden.

Die Earn Outs waren Gegenstand eines inländischen DIS-Schiedsverfahrens. Das mit drei Schiedsrichtern besetzte Schiedsgericht lehnte den Eintritt von zwei Milestone Events ab. Hinsichtlich des dritten Events stellte es jedoch fest, dass die Antragstellerin dessen Eintritt vereitelt hätte. Die Antragstellerin hätte treuwidrig ihre vertragliche Pflicht verletzt, der X AG bestimmte Gewebeproben zu überlassen. Diese Pflichtverletzung sei kausal für das Ausbleiben des Milestone Events gewesen. Die Antragstellerin wandte ein, dass sie auf Grund einer generellen Gewebeprobenknappheit gar nicht in der Lage war, Gewebeproben zu liefern und dass die beweisbelasteten Antragsgegner die Kausalität ohnehin nicht nachgewiesen hätten. Das Schiedsgericht sah den Eintritt der Bedingung nach § 162 Abs. 1 BGB dennoch als erfüllt an und verurteilte die Antragstellerin im Schiedsspruch zur Zahlung eines Betrages von mehr als 46 Millionen US Dollar.

Auf den Antrag der Antragstellerin hob das das Bayerische Oberste Landesgericht den Schiedsspruch nun auf:

Die Aufhebung eines Schiedsspruchs kommt dabei grundsätzlich nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht. Hierfür reicht es nicht aus, dass der Schiedsspruch inhaltlich falsch ist. Ein Aufhebungsgrund besteht jedoch nach § 1059 Abs.1 Nr. 2 lit b) ZPO dann, wenn der Schiedsspruch gegen den Ordre Public verstößt. Ein solcher Verstoß liegt u.a. dann vor, wenn der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs. 1 Grundgesetz verletzt wird. Ein Aufhebungsgrund besteht ferner, wenn der Schiedsspruch an einem wesentlichen Verfahrensmangel nach § 1059 Abs.1 Nr.1 lit d) ZPO leidet.

Nach den Feststellungen des Bayerische Oberste Landesgericht verletzte der Schiedsspruch den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör: Das Schiedsgericht habe weder den Kernvortrag der Antragstellerin zur generellen Gewebeprobenknappheit noch zur Kausalität für das Ausbleiben des Milestone Events berücksichtigt. Die Kausalität habe das Schiedsgericht auch nicht positiv festgestellt, sondern aus der angenommenen Pflichtverletzung gefolgert. Dies obwohl es zuvor selbst festgestellt hatte, dass die Antragsgegner die Kausalität in einem genau definierten Beweismaß zu beweisen hätten.

Darüber hinaus stellt das Bayerische Oberste Landesgericht fest, dass die Begründung des Schiedsspruchs in wesentlichen Teilen widersinnig ist. Denn obwohl das Schiedsgericht hinsichtlich der Kausalität Beweisschwierigkeiten auf Seiten der beweisbelasteten Antragsgegner sah, ging es mit keinem Wort in der Begründung auf naheliegende Beweiserleichterungen ein. Vielmehr hielt es einerseits ausdrücklich an der unbeschränkten Beweislast der Antragsgegner fest, andererseits erklärte es, dass ein nicht allzu strenges Beweismaß anzulegen sei. Der Schiedsspruch verfehle daher die Mindestanforderungen, die an eine Begründung zu stellen sind. In der „besonderen Dürftigkeit der Gründe“ des Schiedsspruchs läge ein Verfahrensmangel im Sinne des § 1059 Abs.2 Nr. 1 lit d) ZPO.

In der Folge der Aufhebung wies das Bayerische Oberste Landesgericht den Rechtsstreit an das Schiedsgericht nach § 1059 Abs.4 ZPO zurück. Da sich das Schiedsgericht mit dem komplexen Sachverhalt bereits intensiv befasst habe, sei es prozessökonomisch, wenn es die dabei erworbenen Erkenntnisse in einem weiteren Verfahren verwenden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass das Schiedsgericht den Vortrag der Antragstellerin bewusst außer Acht gelassen habe. Vielmehr sei es naheliegend, dass „es in Anbetracht der Stofffülle vereinzelt die Übersicht verloren habe“.

Fazit:

Die Entscheidung ist in jeglicher Hinsicht außergewöhnlich: zum einen natürlich, weil eine Aufhebung von Schiedssprüchen selten erfolgt, - nicht zuletzt, weil ein deutsches Gericht keine Berufungsinstanz für Entscheidungen im Schiedsverfahren ist: es darf den Vorbehalt des Ordre Public nur im Ausnahmefall und nur zum Schutz der elementare Werte des nationalen Rechts anwenden. Darüber aber auch deshalb, weil es trotz der erheblichen Fehler des Schiedsspruchs den Rechtsstreit an das Schiedsgericht wieder zurückverweist. Damit erhält das Schiedsgericht zwar die von der deutschen Zivilprozessordnung vorgesehene zweite Chance. Angesichts der (wenn auch begründeten) massiven Kritik des Bayerischen Obersten Landesgericht dürfte das Schiedsgericht aber natürlich erheblich beschädigt sein. Für den weiteren Verfahrensgang sind das für alle Beteiligten schwierige Voraussetzungen.

 


Michael Göger, LL.M.


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