Karriere | Interviews & Erfahrungsberichte | Igor Zarva, LL.M.
Über das Bauversicherungsrecht - Interview mit Igor Zarva
Bevor Sie vor fünf Jahren zu Leinemann Partner nach Berlin wechselten, arbeiteten Sie für einen großen Versicherer …
… die Allianz Versicherung AG in Hamburg. Dort beriet ich als »Legal Counsel« insbesondere bei der Abwicklung komplexer industrieller Großschäden und steuerte Prozesse mit einem jährlichen Schadensvolumen von bis zu 100 Mio. Euro.
Welche versicherungsrechtlichen Mandate betreuen Sie heute?
Ob es ein Glasbruch an der teuren Eingangsfront eines Einkaufszentrums, ein falsch montiertes Rohr im Keller eines Mehrfamilienhauses mit Wasseraustritt samt erheblichen Folgeschäden oder ein ausgebranntes Parkhaus ist – bei Schäden dieser Art stehen mein Kollege Jasper Strehlow, der Fachanwalt für Versicherungsrecht ist, und ich mit dem Bauversicherungsteam unseren Mandanten beratend zur Seite und sorgen dafür, dass das vom Versicherer zustehende Geld eingeholt wird sowie Sanierung und Neubau trotz Schäden kosteneffektiv verlaufen.
Inwiefern unterscheidet sich Ihre heutige Arbeit in einer Kanzlei von der für ein Versicherungsunternehmen?
Bei der Allianz beriet ich zum Beispiel im Falle von abgebrannten Fabriken oder überschwemmten Häusern im Rahmen von Elementar-Großereignissen und steuerte den Prozess gegenüber allen Beteiligten, insbesondere den VersicherungsnehmerInnen, wenn diese eine anwaltliche Begleitung hatten. Durch diese Erfahrung bei den internen Prozessen sowie der »Denke« eines Großversicherers werde ich heute von VersicherungsnehmerInnen insbesondere dann gerne eingeschaltet, wenn es darum geht, außergerichtliche Einigungen herbeizuführen. Sollte dies einmal nicht möglich sein, führen wir selbstverständlich auch gerichtliche Prozesse.
Es gilt also, im Namen der Mandanten kontinuierlich den Druck hoch zu halten und sich nicht von der Haltung eines Versicherers beirren zu lassen, wenn man einen vernünftigen Deckungsansatz verfolgt?
Exakt. So konnte kürzlich zum Beispiel der Schadenfall einer neu entstandenen WEG in Berlin über das Ombudsmannverfahren als Geheimtipp erfolgreich und vollständig reguliert werden, inklusive sämtlicher Zinsen und auch Rechtsanwaltskosten. Der Clou lag darin, dass die WEG als Verbraucher anzusehen ist und daher den Ombudsmann als Verbraucherschlichtungsstelle anschreiben kann. Hier war bei einem Starkregenereignis Wasser in die mangelhaft installierte Tiefgaragen-Außenleuchte hineingelaufen. Das löste einen Kurzschluss aus, der auch die Rückstaupumpe ausfallen ließ, die dem gleichen Verteilerkreis anhing. Auf diese Weise ist dann der gesamte Keller mit Wasser vollgelaufen. Der Versicherer lehnte die Deckung des Schadens unter Verweis auf die fehlende Elementar-Versicherung ab, sodass die WEG mit unserer anwaltlichen Unterstützung das Ombudsmannverfahren einleitete. Die Begründung für eine Deckung, wonach ein Kurzschlussschaden aufgrund bedingungsgemäß versicherter »sonstiger Ursachen« vorliegt, wurde vom Ombudsmann bestätigt, und der Versicherer regulierte vollständig über insgesamt 45.000 Euro. Der Ombudsmann darf bei Schäden bis zu 100.000 Euro eingeschaltet werden, und seine Entscheidung ist zwar offiziell nur bis 10.000 Euro verbindlich, aber die Versicherer halten sich auch im Übrigen an dessen Einschätzung.
Über den Versicherungs-Ombudsmann, der als Verbraucherschlichtungsstelle eine außergerichtliche Entscheidung herbeiführen soll, konnte der Streitfall also zugunsten Ihres Mandanten geklärt werden?
Richtig. Die Versicherungsbedingungen waren an dieser Stelle mit dem Ausdruck »sonstige Ursachen« einfach sehr weit gefasst und da im Versicherungsrecht Unklarheiten über die Auslegung der Versicherungsbedingungen – es handelt sich um AGB – zulasten des Versicherers gehen, hat dieser sich der Entscheidung des Ombudsmanns gebeugt. Wir konnten so das Verfahren zur Freude des Mandanten gewinnen.
Sie haben für Ihre Mandanten das sogenannte Versicherungsbaumanagement kreiert. Was verbirgt sich dahinter?
Unser Ziel ist ein möglichst ungestörter Bauablauf in jeder Phase des Projekts. Ein Schaden – insbesondere bei großen Baustellen praktisch nahezu vorprogrammiert – kann den Bauablauf erheblich beeinträchtigen; und wenn er eintritt, gilt es die Schadenbehebung zentral zu organisieren. Hierzu gehört die Kommunikation unter anderem mit den VersicherungsnehmerInnen, Bauleitung, Versicherer, Maklern und Projektsteuerer. Nach meiner Erfahrung steht der Makler zwar im Lager des Bauherrn, arbeitet aber regelmäßig mit den Versicherern zusammen und ist daher in der Kommunikation doch befangen. Zuweilen erfolgt die Tätigkeit auch viel zu langsam und wird der Dringlichkeit nicht gerecht. Die Bauleitung und Projektsteuerer brauchen wiederum rechtliche Unterstützung beim Verfassen der Schadenanzeige und Führen des weiteren Schriftverkehrs sowie bei Verhandlungen mit dem Versicherer. Es gibt zudem Möglichkeiten, schneller an die Regulierungssumme zu kommen bzw. den Versicherer zu einer eigenverantwortlichen Schadenbehebung zu bewegen. Außerdem gibt es versicherte Kostenpositionen, auf die der Versicherer in der Regel nicht hinweist. Bei der Lösung all dieser Punkte unterstützen wir unsere Mandanten als zentraler Ansprechpartner für das Versicherungsbaumanagement.
Zur Person
Igor Zarva studierte Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg und absolvierte darüber hinaus erfolgreich den Master of Insurance Law (LL.M.) an der Universität Hamburg. Der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht wurde Anfang 2024 zum Salary Partner bei Leinemann Partner, wo er seit 2019 am Berliner Standort arbeitet, ernannt.